Der Titel der Vorlage ist geschickt gewählt - gegen Selbstbestimmung hat in einem direktdemokratischen Land schliesslich niemand etwas einzuwenden. Doch im Initiativtext verstecken sich zahlreiche Fallen. Grundsätzlich geht es um einen generellen Vorrang des Schweizer Landesrechts vor internationalem Recht. Ausgenommen werden nur Bestimmungen des zwingenden Völkerrechts, wie etwa die Verbote von Sklaverei oder Völkermord. Bei einem Widerspruch zwischen nationalem Verfassungsrecht und Völkerrecht, beispielsweise in einem Freihandelsabkommen, soll künftig das nationale Recht immer Vorrang haben. Entsprechende Verträge müssten neu verhandelt oder gekündigt werden. Und falls sie nicht dem Referendum unterstanden, sind sie für Schweizer Gerichte gar nicht mehr massgebend. Im Extremfall führt das zum Vertragsbruch.
Über 600 Wirtschaftsabkommen betroffen
Was geschieht, falls die Initiative eine Mehrheit findet, weiss niemand so genau, und das ist problematisch: Die Unsicherheit wird gross sein und über mehrere Jahre andauern. Die Schweiz verfügt heute über rund 5000 internationale Abkommen, wovon über 600 für die Wirtschaft von besonderer Bedeutung sind. Dazu zählen Abkommen zu Freihandel, Investitions- und Patentschutz, bilaterale Verträge mit der EU, Doppelbesteuerung, aber auch multilaterale Abkommen wie die Teilnahme an der Welthandelsorganisation (WTO). All diese freiwillig abgeschlossenen Abkommen bilden das rechtliche Fundament für den Erfolg der Exportnation Schweiz.
Fortan würden diese Verträge nur noch unter Vorbehalt gelten. Wird zum Beispiel eine Volksinitiative angenommen, die solchen Abkommen widerspricht, müssten sie neu verhandelt
oder gekündigt werden. Heute hinge-gen sind Lösungen mit Augenmass möglich. So widerspricht beispielsweise das Landverkehrsabkommen mit der EU dem Alpenschutzartikel in der Bundesverfassung. Doch mit der Abgabe für den Schwerverkehr und dem Bau der NEAT wurde eine Lösung gefunden, die beiden Seiten gerecht wird. In Zukunft wäre das in dieser Form nicht mehr möglich.
Verträge nicht auf Vorrat kündigen
Wenn Abmachungen mit anderen Staaten nur noch unter Vorbehalt gelten, wird es der Schweiz schwer fallen, neue Verträge abzuschliessen. Denn als Verhandlungspartnerin macht sie sich unglaubwürdig und damit unattraktiv. Die bisher stets stabilen Beziehungen zu den Vertragspartnern könnten gefährdet sein. Es stellt sich die Frage, welches angebliche Problem die Initiative denn überhaupt lösen will. Wenn es den Initianten darum geht, unliebsame Verträge zu verhindern
oder zu beseitigen, dann besteht diese Möglichkeit schon heute: mittels Referendum oder Initiative. Mit ihrer soeben eingereichten Kündigungsinitiative gegen die Personenfreizügigkeit liefert die SVP hierfür gleich selbst ein Beispiel.