Coface senkt Wirtschaftsprognose für Deutschland

Zürich/Paris - Coface sieht für Deutschlands stagnierende Wirtschaft keine Trendwende. Daher korrigiert der Kreditversicherer und Risikomanager die Prognosen für das Wachstum des Bruttoinlandprodukts nach unten. Für einen Aufschwung braucht es laut der Fachleute strukturelle Massnahmen.

Die deutsche Wirtschaft stagniert nun schon im zehnten Quartal in Folge. Denn selbst die Zahlen für das Bruttoinlandprodukt im dritten Quartal 2024 sprechen keine andere Sprache, so die Einschätzung von Fachleuten des Kreditversicherers und Risikomanagers Coface. Auch in naher Zukunft sehen sie keine neuen, positiven Impulse. In der Folge senkt Coface seine Wachstumsprognosen in Bezug auf Deutschland für 2024 von -0,1 auf -0,2 Prozent. Für 2025 wird die Erwartung ebenfalls auf ein sehr begrenztes Wachstum heruntergeschraubt: +0,4 statt der bisher prognostizierten +0,8 Prozent.

Die monatlichen Zahlen zur industriellen Fertigung weisen für Deutschland seit Anfang 2022 einen Negativtrend auf. Hohe Produktionskosten etwa für Energie, Material und Arbeit sowie eine geringere Nachfrage haben die Gewinnspanne von Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes stark verringert. Grosse Unternehmen wie Ford, Bosch, Continental Thyssen-Krupp, BASF und wohl auch Volkswagen reduzieren ihre Kapazitäten und bauen Arbeitsplätze ab. Dies fällt umso stärker ins Gewicht, als der deutsche Fertigungssektor mit einem Anteil an der Bruttowertschöpfung (BWS) von 20,4 Prozent fast doppelt so hoch ist wie etwa in Spanien und Frankreich.

Die Schwäche der Fertigungsindustrie wird grossteils durch Wachstum im Dienstleistungssektor kompensiert. Einen wesentlichen Beitrag hierfür leisteten die öffentlichen Dienstleistungen einschliesslich Bildung und Gesundheitswesen. Sie haben einen BWS-Anteil von 19,4 Prozent und waren mit einem durchschnittlichen Wachstum gegenüber dem Vorquartal von 2,5 Prozent die leistungsstärksten Teilsektoren. Weitere relevante Teilsektoren sind ICT (2,3 Prozent) und Immobilien (1,4 Prozent).

Zu den Risikofaktoren für den ehemaligen Exportweltmeister Deutschland und sein verarbeitendes Gewerbe gehören insbesondere steigende Personalkosten und die hohen Strompreise; in Europa ist Strom laut Coface mittlerweile nur in Irland und Zypern noch teurer als in Deutschland. Auch wächst die Konkurrenz aus China, die immer stärker bei Qualität und Spitzentechnologie punkten kann.

In Anbetracht der Tatsache, dass die USA für Deutschland und Europa den wichtigsten Exportmarkt darstellen, geht auch von Trumps künftiger Handelspolitik Risiko aus. Sollte Trump seinen Plan umsetzen, pauschale Zölle von 10 bis 20 Prozent auf alle nicht-chinesischen Importe zu erheben, würden deutsche Exporte in die USA um bis zu 15 Prozent einbrechen. Unabhängig davon könnte Deutschland mit seinem Handelsdefizit von 83 Milliarden Dollar gegenüber den USA ein Hauptziel von Trumps protektionistischer Handelspolitik werden. Insgesamt könnte Trumps Politik vor allem die deutsche Automobil-, Stahl- und Aluminiumindustrie treffen.

Auch wenn manche Aspekte für eine wirtschaftliche Erholung sprechen, wie etwa erwartete Zinssenkungen oder eine voraussichtlich positive Entwicklung des Konsums, so dominieren jedoch die innenpolitischen und geopolitischen Unsicherheiten. Diese zeigen sich im Ifo-Geschäftsklimaindex, der seit März 2022 mit wenigen Ausnahmen im negativen Bereich liegt. Nach Einschätzung von Coface könnte der Ausgang der vermutlich im Februar stattfindenden Bundestagswahlen die Stimmung positiv beeinflussen, Investitionen und Konsum könnten anziehen und die Sparquote wieder sinken.

Ein echter Aufschwung sei jedoch erst mit strukturellen Massnahmen in Sicht. So könnte etwa die Schuldenbremse reformiert und Investitionsmassnahmen verstärkt werden. Die Fachleute sehen auch eine Option in kurzfristiger Subvention der Energiepreise, um die Wettbewerbsbedingungen der produzierenden Industrie auf dem internationalen Markt angleichen. Zudem könnte strategisch der bestehende Trend zu Forschung und Entwicklung in Deutschland und einer Produktionsverlagerung ins Ausland gefördert werden. Somit würde sich die deutsche Wirtschaft noch stärker in die Richtung einer Dienstleistungswirtschaft bewegen. ce/mm

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