Die Wirtschaftswelt diskutiert derzeit extensiv über den Wandel der Arbeitswelt. Die Beobachtungen zur Zukunft der Leistungsanforderungen und -bereitschaft in der Berufswelt könnten kontroverser nicht ausfallen.
Auf der einen Seite beobachten wir den Weg in eine 24/7-Leistungsgesellschaft. Digitale Technologien und Globalisierung begünstigen orts- und zeitunabhängiges Arbeiten und führen zur Auflösung der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Arbeit findet neu auch im Urlaub, am Feierabend und an Wochenenden statt. Die Anzahl der Offline- und der Online-Meetings explodiert; ebenso explodieren die koordinativen Schwierigkeiten, alles unter einen Hut zu bekommen. Dies gilt auch für das Ausmass an Technostress, verursacht durch E-Mails, Social-Media-Nachrichten und administrative Berichterstattungen. Zudem beschleunigt die technologische Dauerrevolution die Abnahme der Halbwertszeiten von Wissen. Einmal erworbenes Wissen verfällt rasch und erfordert die beständige berufliche Weiterqualifikation. Zudem transformieren die aus Globalisierung und Digitalisierung resultierenden The-winner-takes-it-all-Märkte berufliche Karrieren in eine Art Leistungssport: Im Rattenrennen um die geringe Anzahl exorbitant entlohnter Statuspositionen überbieten sich Personen in ihren Bildungs- und Berufsanstrengungen.
Auf der anderen Seite beobachten wir in westlichen Wohlstandsgesellschaften einen beständigen Trend hin zur Freizeitgesellschaft. Inder Schweiz arbeiten mittlerweile 18,7 % der Männer und 57,9 % der Frauen Teilzeit. Gemäss einer aktuellen Umfrage befürwortet ein grosser Teil der Bevölkerung die 4-Tage-Woche. Dieser Trend betrifft nicht nur Personen mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen. Eine zunehmende Anzahl an Absolventinnen und Absolventen leisten sich bereits nach Studienabschluss Lohneinbussen und steigen nur Teilzeit in Berufe ein. Laut einer aktuellen Befragung der UZH- und ETH-Studierenden streben 55 % keine Karrieren oder hohen Löhne an.
Wie sollen sich Unternehmerinnen und Unternehmerin dieser sich verändernden Gesellschaft bewegen? Zum Ersten benötigt es zukünftig vermehrt institutionelle Massnahmen auf Unternehmensebene, die einer Überarbeitung infolge des kontinuierlich zunehmenden Leistungsstresses entgegenwirken. Zum Zweiten muss Teilzeitarbeit auch auf höheren Karriere-und Leitungsebenen systematisch in das Unternehmen integriert werden, um brachliegendes Humankapital in Zeiten des Fachkräftemangels optimal zu nutzen. Zum Dritten erfordert ein soziales Miteinander der sehr unterschiedlichen Lebensvorstellungen von Mitarbeitenden, von denen manche nach Höchstleistungen und andere nach Work-Life-Balance streben, integrative Massnahmen, um Leistungsbereitschaft und Teamzusammenhalt sicherzustellen.