„Bei Digital-Health-Anwendungen kommt das Beste aus verschiedenen Sektoren zusammen“, sagte Christoph Brutschin, Regierungsrat von Basel-Stadt, in seiner Begrüssung. Und damit skizzierte er bereits die Innovationskraft von Digital Health. Wie sehr das Thema momentan beschäftigt, zeigte bereits der ausgebuchte Anlass mit knapp 130 Teilnehmenden.
Auch Referent Alfred Angerer von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) verwies auf die Interdisziplinarität von Digital Health. So seien die massgeblichen Treiber sowohl Managementaspekte als auch der technologische Fortschritt. Angerer unterscheidet vier Felder von Digital Health: Tech Health mit innovativer Hardware, Data Health mit neuen Anwendungen durch Datenanalyse, eHealth mit neuen Prozessen, wie sie rund um das elektronische Patientendossier möglich werden, und letztlich Trend Health, worunter tragbare Fitness-Tracker fallen. In der Schweiz ist der Pool für neue Lösungen laut Angerer durch Start-ups und Hochschulen sehr gross. „Wagen Sie Innovation, doch tun Sie es strukturiert“, riet er den Anwesenden.
Koordinierte Dateninfrastruktur für die Schweiz
Daten sind die Grundlage für Digital Health. Die Universitätsspitäler in Zürich und Basel arbeiten deshalb in einer Allianz an einer neuen Dateninfrastruktur. Aber das ist hochkomplex, berichtete Gabriela Senti vom UniversitätsSpital Zürich USZ. Unzählige Datensets würden anonymisiert und normiert, stets unter den strengen Vorgaben des Datenschutzes. Die Allianz hat erreicht, dass im Rahmen des Swiss Personalized Health Networks eine national koordinierte Dateninfrastruktur realisiert werden soll. Alle Universitätsspitäler sind an Bord. Senti sagte: „Wir erreichen nur internationale Sichtbarkeit, wenn wir die Daten der grossen fünf Spitäler auf eine koordinierte Plattform bringen.“ Für Senti sind die Anwendungsmöglichkeiten alle Mühen wert: Würden Daten in neue Behandlungspfade integriert, könnten etwa Krankheitsverläufe besser vorhergesehen werden.
Schweizer Unternehmen besetzen den Markt
Daten stehen auch im Zentrum eines Zürcher Start-ups, das durch seine Innovation europaweit Furore gemacht hat. Das Biovotion-Messgerät für den Oberarm erfasst Informationen zu 22 Vitalparametern. Laut Gründer Andreas Caduff kann man hiermit aktuellen Herausforderungen wie einer wachsenden Bedeutung chronischer Krankheiten besser gerecht werden: Zum Beispiel erlauben es präzise und kontinuierliche Messungen, Symptome früher zu erkennen. Caduff warnte jedoch vor Generalisierungen: „Die Anwendungsfälle für Digital Health sind extrem heterogen und was aus Schweizer Perspektive an einer Lösung wichtig ist, kann in einer anderen Kultur ganz anders aussehen.“
Andy Fischer, CEO des expandierenden Basler Telemedizinanbieters Medgate, erklärte, weshalb er eine Transformation des Geschäftsmodells der Medizin kommen sieht. Für eine flächendeckende Versorgung durch dezentrale Arztpraxen seien weder Kapazitäten noch Mittel vorhanden. Medgates Modelle zielen auf ein stärker zentralisiertes und automatisiertes System ab. Bereits im ersten Schritt spart dies laut Fischer Kosten von bis zu 20 Prozent. Dabei liege die Zukunft in weiterer Automatisierung und letztlich unterstütze die Entwicklung den Trend einer Demokratisierung der Gesundheitsversorgung. „Patienten werden immer mündiger“, sagte Fischer. Bald sei das Smartphone das perfekte Selbstdiagnostik-Gerät.
Es braucht den Menschen
In der Paneldiskussion ging es rasch um die Frage, welche Bedeutung dem einzelnen Menschen im digitalisierten System zukomme. USZ-Vertreterin Gabriela Senti betonte, man werde stets den Menschen brauchen, um Daten und Ergebnisse einzuordnen. Erika Ziltener, Präsidentin der Schweizerischen Patientenstellen, plädierte für Grenzen der Automatisierung: „Eine Praxis ohne Arzt wird die Menschen krank machen“, die grossen Chancen von Digital Health lägen in der Qualitätssicherung, zum Beispiel, wenn digitale Lösungen Ärzte in ihrer Diagnose unterstützten. Matthias Heuberger von der CSS Versicherung sagte: „Wir müssen die Diskussion führen, wo der Mensch und wo der Computer seine Stärken am besten einsetzen kann.“
Die Zürcher Regierungsrätin Carmen Walker Späh betonte im Schlusswort, wie dynamisch schon heute das Umfeld für Digital-Health-Innovationen der beiden Kantone sei und welch grosses wirtschaftliches Potenzial die Digitalisierung berge. Allerdings brauche es gute, kluge Rahmenbedingungen seitens der Politik. Regulierung dürfe nicht neue Technologien und damit verbundene Geschäftsmodelle im Keim ersticken, aus Angst vor Veränderung. Gleichzeitig gälte es, mit der Gesellschaft im Dialog zu sein und Fragen rund um Themen wie ethischer Umgang mit Daten, Besteuerung, Konsequenzen eines digitalisierten Gesundheitssystems breit zu diskutieren.
Yvonne von Hunnius