Im Panel nahmen teil: Peter Kurer (Verwaltungsratspräsident der Sunrise Communications Group AG), der seine langjährige Erfahrung als Rechtsanwalt und seine Überlegungen beruhend auf dem Austausch mit globalen Vordenkern der neuen Entwicklungen einbrachte, Daniel Hochstrasser (Co-Leiter Schiedsgerichtsbarkeit und Partner bei Bär & Karrer), der aus praktischer Sicht des Counsel und Prozessanwalts berichtete, Christian Laux (Partner bei Laux Lawyers AG), der das Thema mit spezifischem Wissen zur Technologie im Recht beleuchtete (und freundlicherweise kurzfristig für Petra Arends-Paltzer einsprang, die beruflich verhindert war), sowie Christoph M. Pestalozzi (Partner bei Lustenberger Rechtsanwälte), der mit dem Blick des national und international erfahrenen Schiedsrichters durch die Diskussion führte.
Die Digitalisierung im Recht werde derzeit als „Megatrend“ wahrgenommen, eröffnete Christoph Pestalozzi die Diskussion. Peter Kurer gab am Beispiel Internet zu bedenken, dass der Zeithorizont zur Beurteilung der Auswirkungen einer Technologie zwischen 25 und 30 Jahre beträgt, trotz schneller Abfolge der technologischen Entwicklungen. Innovation erfolgt einerseits kontinuierlich „von innen nach aussen“, andererseits „disruptiv“ plötzlich „von aussen nach innen“. Vorangetrieben wird Digitalisierung, wo Skalierung möglich ist. „Von unten nach oben“ findet Digitalisierung bei Entscheidungsprozessen statt: Einfache Entscheidungen lassen sich einfach automatisieren. Im Zusammenhang mit Industrieprozessen könnte die Streitbeilegung durch Schiedsgerichtsbarkeit aufgrund der technologischen Entwicklungen mit immer genauerer digitaler Überwachung und Dokumentation („Industrie 4.0“) überflüssig werden.
Zur Bedeutung der künstlichen Intelligenz und der Frage, ob „Entscheidroboter“ Schiedsgerichte einmal ablösen, führte Christian Laux aus, die Überzeugungskraft einer gerichtlichen Entscheidung rühre daher, dass ein komplexer Lebenssachverhalt den als „richtig“ empfundenen Rechtsregeln zugeordnet werde. In geschlossenen Systemen wie Ebay oder Airbnb finden bereits vollautomatisierte Entscheidungsprozesse statt. Mithilfe von „Digital Twins“ („digitalen Zwillingen“), welche einen bestimmten Sachverhaltstyp ideal vorgeben würden, und welche die Parteien eines Rechtsstreits als auf ihren Streit passende Modelle wie einen Gerichtsstand wählen könnten, wird zukünftig vielleicht ein Einsatz von „Entscheidrobotern“ in grösserem Umfang möglich als heute vorstellbar. Dann könnte eine Maschine den Idealtyp mit dem konkreten Sachverhalt vergleichen und automatisiert aufgrund der Abweichungen entscheiden.
Daniel Hochstrasser sah die Herausforderungen der heutigen digitalen Welt für Anwaltskanzleien in einem grösseren Zeitrahmen nicht grundsätzlich verschieden zum Beispiel vom Aufkommen von Fax und E-Mail. Beratend und vermittelnd verschwindet der Anwaltsberuf kaum. In Schiedsverfahren und bei Schiedsinstitutionen könnten sich neue Standards durchsetzen wie die Verwendung von Plattformen zum Austausch von Rechtsschriften und „Exhibits“, oder der Einsatz von Blockchains. Allerdings gefährdet die dadurch noch verstärkte Tendenz, in Schiedsverfahren zunehmende Datenmengen einzuführen, die Vorteile von „schlanken“ Schiedsverfahren gegenüber Verfahren vor staatlichen Gerichten, und damit einen wesentlichen Selling Point der Schiedsgerichtsbarkeit. Trotz schnellerer Datenbearbeitung werden Schiedsverfahren immer aufwendiger.
Ob zukünftig „Rule Engines“ (automatisierte Regelanwendung in Entscheidungsprozessen) in Schiedsverfahren zur Anwendung kommen, fragte Christoph Pestalozzi, oder ob digitale Analysen das Resultat eines Verfahrens vorhersehbar machen. Die Möglichkeiten dazu sind laut Peter Kurer vorhanden. Christian Laux ergänzt, dass die Automatisierung auch beim Verfassen von Rechtsschriften Einzug halten könnte. Jedenfalls beschäftigt die Anwaltskanzlei der Zukunft spezialisierte Nichtjuristen zur Bewältigung der Digitalisierung, sind sich alle einig. Und: Anwaltskanzleien tun gut daran, jetzt in die Zukunft zu investieren.