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Der Standort Zürich ist insgesamt attraktiv. Zurückzuführen ist dies vor allem auf unbeeinflussbare Standortfaktoren. Diametral anders sieht es im Ranking der Unternehmenssteuern aus. Nur Bern ist teurer. Ist Zürich träge geworden? Wie kann die gute Qualität erhalten und entwickelt werden? Dies diskutierten am Wirtschaft@Wirtschaft-Event der Zürcher Handelskammer UBS-Ökonomin Dr. Katharina Hofer, FDP-Kantonsrätin Doris Meier und Unternehmer Dr. Markus Neuhaus.
Zürich hat zweifellos viele Qualitäten oder wie Finanzdirektor Ernst Stocker es gerne formuliert: «Zürich ist die Milchkuh der Nation». Raphaël Tschanz, Direktor der Zürcher Handelskammer (ZHK), formulierte dies am Frühstücks-Event in der Bar am Wasser so: «Zürich ist zweifellos das wirtschaftliche Kraftzentrum der Schweiz.» Dass dies so bleibt, ist keine Selbstverständlichkeit, und die Alarmzeichen sind nicht zu übersehen. Seismographische Hinweise für Handlungsbedarf gibt eine Statistik, die eine schleichende Verschlechterung befürchten lässt: Im Jahr 2023 hat der Kanton Zürich 1'399 Unternehmen (netto 85) durch Abwanderung verloren. Im Jahr davor waren es sogar 1'436 Unternehmen (netto 118). Einer der Gründe für die Abwanderung sind die Steuern: Zürich ist für Unternehmen steuerlich neben Bern der unattraktivste Kanton in der ganzen Schweiz. Er liegt bei der Reingewinn- und Kapitalbelastung auf dem 25. Platz. Gegenüber dem Jahr 2006 hat der Kanton Zürich 12 Plätze verloren.
Immerhin: Der Kantonsrat anerkennt den Handlungsbedarf: Eine breite Allianz aus SVP, FDP, Die Mitte und GLP hat sich klar für die Umsetzung des zweiten Schrittes der Steuervorlage 17 ausgesprochen. Damit sinkt der Gewinnsteuersatz von 7 % auf 6 % und die Steuerbelastung für Unternehmen insgesamt von 19,7 % auf 18,2 % (direkte Bundessteuer, Staats- und Gemeindesteuern in der Stadt Zürich). Dieser Schritt ist längst fällig. Raphaël Tschanz sagte einleitend: «Die Senkung der Unternehmenssteuern ist nur ein Baustein, aber ein zentraler, um Zürich wieder in eine Spitzenposition im Standortwettbewerb zu bringen.»
Und der Direktor der ZHK mahnte zudem: «Bei allen Vorzügen und Stärken Zürichs müssen wir uns auch kritisch hinterfragen: Sind wir wirklich so gut? Ist gesichert, dass Zürich langfristig top bleibt?»
Zu diesen Fragen diskutierten UBS-Ökonomin Dr. Katharina Hofer, Dr. Markus Neuhaus, Vizepräsident der ZHK und Verwaltungsratspräsident von Galenica, sowie Doris Meier-Kobler, Kantonsrätin (FDP) und Vorstandsmitglied der ZHK.
Dr. Katharina Hofer stellte einleitend in ihrem Inputreferat die Frage: «Die Schweiz ist eines der wettbewerbsfähigsten Länder der Welt. Doch wie sieht es regional aus? Der von der UBS erstellte kantonale Wettbewerbsindikator spricht eine deutliche Sprache: Es gibt ein Spitzentrio, das mit klarem Abstand die Rangliste anführt: Zug, Basel-Stadt und Zürich. Auf den «Verfolgerplätzen» sind die Kantone Aargau, Schwyz, Basel-Landschaft und Waadt. Zum Kanton Zürich stellte aber Dr. Katharina Hofer fest, dass das Pro-Kopf-Wachstum überschaubar sei.
Die Säulen der Wettbewerbsfähigkeit, die das Gesamtscore ergeben, sind die Aspekte Wirtschaftsstruktur, Innovation, Humankapital, Arbeitsmarkt, Erreichbarkeit, Einzugsgebiet und Kostenumfeld. Im Vergleich mit Zug schneidet Zürich in fünf Kriterien besser ab: Wirtschaftsstruktur, Humankapital, Arbeitsmarkt, Erreichbarkeit und Einzugsgebiet.
Damit ist aber auch gesagt, dass Zürich weitgehend von nicht veränderbaren Standortfaktoren profitiert. Betrachtet man nur die veränderbaren Faktoren, sieht die Tabelle für Zürich weniger vorteilhaft aus, wie Dr. Katharina Hofer zu bedenken gab. In dieser Rangliste findet sich Zürich im Mittelfeld wieder – hinter den Kantonen Zug, Appenzell Innerrhoden, Obwalden, Nidwalden, Schwyz, Graubünden, Thurgau, Luzern, Glarus, Uri, Aargau, Waadt, St. Gallen und Basel-Landschaft. Ganz am Schluss rangieren Genf und Jura. Dr. Katharina Hofer sagte: «Man sieht klar, dass der Kanton Zürich weniger macht als andere Kantone mit Blick auf die veränderbaren Faktoren.» Am weitesten weg vom Potenzial sei der Kanton Zürich beim Aspekt Kostenumfeld. Oder wie Dr. Katharina Hofer sagte: «Beim Kostenumfeld landet der Kanton Zürich auf dem 26. Rang und ist mit dem Kanton Bern zusammen weit abgeschlagen. Ein grosser Anteil macht die Unternehmenssteuer aus.»
Zum zweiten Schritt der Steuervorlage 17 meinte die UBS-Ökonomin: «Zürich wird durch diese Vorlage nicht zu einer Tiefsteueroase. Aber es hätte Signalwirkung und würde ein Zeichen setzen, dass sich Zürich wegbewegt vom Image als teurer Kanton.» Und der Schritt sei ökonomisch sinnvoll: «Wenn wir langfristig den Wohlstand sichern wollen, dann muss es unseren Unternehmen gut gehen.»
Diese Beurteilung teilten Dr. Markus Neuhaus und Doris Meier. Dr. Markus Neuhaus sagte: «In Zürich besteht Potenzial. Aber die Politik muss das Potenzial auch ausnützen wollen.» Zürich brauche ein Fitnessprogramm - einen Weckruf. Der zweite Schritt der Steuervorlage 17 sei ein Schritt in die richtige Richtung. Die Vorlage sei kein Gamechanger für den Kanton Zürich, aber ein Zeichen, dass sich der Kanton in die richtige Richtung bewege. Dr. Markus Neuhaus betonte zudem, dass das Narrativ der Linken, die von ‘Steuergeschenken an die Unternehmen’ reden würden, daneben ziele. «Der Begriff ‘Steuergeschenke’ ist ein Widerspruch in sich selbst. Er geht davon aus, dass alles am Staat gehört. Dabei ist es umgekehrt.» Wichtig zu betonen sei zudem, dass der Staat in der Summe mehr Steuersubstrat generiere, wenn er attraktive Rahmenbedingungen biete. Dr. Markus Neuhaus erklärte: «Wenn wir uns die wesentlichen Steuerreformen in den letzten 20 Jahren anschauen, dann hat jede dieser Reformen zu mehr Steuerertrag geführt.» Wenn zudem mehr Geld in den Unternehmen bleibe, dann werde mit diesem Geld etwas Produktives gemacht. «Das Geld wird im Unternehmen investiert, das schafft Wertschöpfung.»
Doris Meier-Kobler sieht grossen Handlungsbedarf – und nimmt alle in die Pflicht, namentlich auch die Unternehmerinnen und Unternehmer: «Wir müssen zusammenstehen und Vollgas geben.» Leider sei es in Zürich schwierig, Innovationen und Veränderungen durchzubringen. Das räche sich zunehmend: «40 % der Startups werden hier in Zürich gegründet. Aber sobald sie an die Gewinnschwelle kommen, verlassen sie den Kanton. Genau hier setzt der zweite Schritt der Steuervorlage 17 an.» Daneben gelte es auch, auf dem Wohnungsmarkt die Attraktivität des Kantons Zürichs zu fördern.
Grundsätzlich stört sich Doris Meier daran, dass die Linke das Narrativ der «bösen Wirtschaft» bewirtschafte. «Die Wirtschaft ermöglicht Arbeitsplätze. Die Wirtschaft ermöglicht uns Wohlstand. Geht die Wirtschaft weg, gehen auch Arbeitsplätze verloren.» Es gehe jetzt darum, das Steuersubstrat zu sichern und den Standort zu entwickeln. «Es ist nicht gottgegeben, dass ein Unternehmen bei uns ist und bleibt.»