Den Standort Zürich stärken und aus Fehlern lernen

Am Neujahrsapéro der Zürcher Handelskammer (ZHK) und von Arbeitgeber Zürich VZH richtete ZHK-Präsidentin Dr. Karin Lenzlinger einen Appell an die Gäste: Unternehmerische Verantwortung endet nicht bei den eigenen Geschäftszahlen. Sie schloss ihre Rede mit einem Appell, den Standort Zürich aktiv zu stärken – insbesondere durch die Unterstützung der Steuervorlage 17, über welche dieses Jahr abgestimmt wird. Das Fokusthema des Abends war der konstruktive Umgang mit Fehlern nach dem Konzept von «Just Culture». Experten aus Medizin, Luftfahrt und Recht zeigten auf, wie wir aus Fehlern lernen können.

Mit einem starken Appell an die Verantwortung der Wirtschaft begann Dr. Karin Lenzlinger, Präsidentin der Zürcher Handelskammer, ihre Rede am traditionellen Neujahrsapéro. «Unsere Verantwortung als Unternehmerinnen und Unternehmer geht weit über betriebswirtschaftliche Fragen hinaus», betonte sie. Das Leitmotiv ihrer Rede war der Begriff des «ehrbaren Kaufmanns» – ein Begriff, den Karin Lenzlinger in der heutigen Zeit wie folgt versteht: Unternehmerisches Handeln, das langfristig orientiert, verantwortungsvoll und nachhaltig ist, sei ein unverzichtbarer Bestandteil eines erfolgreichen Wirtschaftsstandorts. Der Begriff, der in Deutschland traditionell mit den Handelskammern verknüpft sei, habe auch für uns Relevanz. Die ZHK-Präsidentin sagte: «Auf diese Weise handelnden Unternehmerinnen und Managern ist der Zustand des Gemeinwesens nicht egal. Dazu gehört, dass man sich zu wichtigen wirtschaftspolitischen Fragen öffentlich äussert.»

Ein zentrales Thema der Rede war die kantonale Steuervorlage, über die im Jahr 2025 abgestimmt wird. «Zürich verliert an Boden», warnte Karin Lenzlinger und verwies auf die steigende Zahl von Unternehmen, die den Kanton verlassen oder dies erwägen. Dass Zürich bei der Steuerbelastung von Unternehmen im kantonalen Vergleich den vorletzten Platz einnimmt, sei bedenklich. Die geplante moderate Senkung der Unternehmenssteuern solle dazu beitragen, den Wirtschaftsstandort zu stärken und Unternehmen langfristig in Zürich zu halten. Im Abstimmungskampf brauche es nun die aktive Unterstützung der gesamten Wirtschaft, um die Vorteile der Vorlage der Bevölkerung verständlich zu machen.

Aus Fehlern lernen

Abschliessend griff die ZHK-Präsidentin das Thema des Anlasses, den konstruktiven Umgang mit Fehlern, auf. In Anlehnung an die «Just Culture», die besonders in Risikobranchen wie der Luftfahrt etabliert ist, rief sie dazu auf, Fehler als Lernchancen zu nutzen. «Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden Raum für Experimente und Fehler geben, profitieren langfristig von besseren Lösungen und höherer Motivation», erklärte sie. Dies sei besonders wichtig in einer Welt, die zunehmend von Komplexität und Unsicherheit geprägt sei.
Wie wichtig es ist, aus Fehlern zu lernen, betonte in seinem Inputreferat Adrian Kaegi, CEO der ViciMed AG, ehem. Staatsanwalt für schwere Gewaltkriminalität und Ärztefälle. Gemäss Studien machten Erwachsene täglich zwischen 20 bis 100 kleinere Fehler. In der Medizin haben Fehler oft dramatische Folgen: Eine Studie des Bundesamts für Gesundheit beziffere die Zahl der Todesfälle in der Schweiz aufgrund vermeidbarer Fehler in der Medizin auf 2000 bis 3000 pro Jahr. Die Gründe für Fehleranfälligkeit ortet Adrian Kaegi mehrheitlich im zwischenmenschlichen Bereich. Vertrauen sei der Schlüssel einer konstruktiven Fehlerkultur.

Professorin Brigitte Tag, Rechtswissenschaftlerin, Ordinaria für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medizinrecht an der Universität Zürich, sagte in ihrem Inputreferat, dass zeitgemässes Risikomanagement ein Gebot der Stunde sei: «Organisationen brauchen Fehlervermeidungssysteme.»

Martin Wyler, ehemaliger Pilot der Patrouille Suisse, Kapitän bei SWISS und Spezialist im Bereich Just Culture und Never Event, erläuterte auf dem Podium, wie das erreicht werden kann: «Es geht ums Lernen.» In der Just Culture liege der Fokus auf der Verbesserung der Sicherheit. Dr. med. Sven Staender, ehemaliger Chefarzt und stv. Direktor Spital Männedorf sowie Experte für Fehlersysteme, unterstützte dies. Er komme noch aus einer Kultur, in der postuliert wurde, dass Fehler nicht passieren dürfen. Die sei jedoch eine Illusion. Vielmehr müsse die Frage sein: «Warum ist der Fehler entstanden?»

Thomas Huggler, CEO der Universitätsklinik Balgrist, nahm diesen Ball auf und sagte: «Die Mitarbeitenden kommen nicht zur Arbeit mit der Absicht, einen Fehler zu machen.» Es sei eine wichtige Führungsaufgabe, das System so aufzubauen, dass Fehler möglichst vermieden werden. Dies könne nicht verordnet, dies müsse gelebt werden. Es spreche sich sehr schnell im Unternehmen herum, wie sich die Führung in einem konkreten Fall verhalten hat – im positiven wie im negativen Sinn. Falsch sei auch der Ansatz, der häufig zu beobachten sei nach einem Schadensfall: «Es wird eine neue Regulierung, eine neue Weisung oder eine neue Zertifizierung verlangt.» Wichtiger sei, dass intern ein Klima entwickelt werde, in dem die Mitarbeitenden intrinsisch motiviert seien, Fehler zu vermeiden.

Philipp Marti, Präsident Arbeitgeber Zürich VZH, verdankte in seiner Ansprache die wertvollen Inputs – und bedankte sich herzlich beim langjährigen Geschäftsführer Hans Strittmatter, der die Führungsrolle abgibt und noch als Rechtsanwalt für den VZH tätig sein wird. Als neuer Direktor wurde Christian Zehnder vorgestellt.
 

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