Coface erwartet für Deutschland Reformstau bis Sommer

Paris/Zürich - Coface rechnet nach der Bundestagswahl in Deutschland damit, dass grössere Reformen warten müssen. Der Kreditversicherer und Risikomanager präsentiert aktuelle Risikobewertungen für Deutschland und 160 weitere Staaten im kürzlich erschienenen Handbook 2025.

(CONNECT) In Deutschland herrscht nach der Bundestagswahl vom 23. Februar 2025 zwar mehr politische Stabilität, so die Einschätzung von Coface, doch wichtige Reformen müssen warten. Fachleute des global agierenden Kreditversicherers und Risikomanagers Coface sehen die Gründe für den Aufschub von Reformen in der anstehenden Koalitionsbildung und der Notwendigkeit, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zu ändern.

Im neuen Bundestag sind statt wie zuletzt sieben Parteien nur fünf vertreten: die siegreichen Konservativen der CDU/CSU (Union), die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), die Grünen, die Linken und die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD). Die für den Koalitionsbruch im vergangenen Jahr verantwortliche liberale Freie Demokratische Partei (FDP) scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde. Da die Union unter dem wahrscheinlich künftigen Kanzler Friedrich Merz vor der Wahl eine rechnerisch nun mögliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen hatte, bleibt ein Zweierbündnis von Union und SPD die einzige Option, mit oder ohne Beteiligung der Grünen.

Die politische Unsicherheit durch die Schwierigkeiten und das Ende der bisherigen Koalition aus SPD, Grünen und FDP habe die deutsche Wirtschaft zusätzlich belastet. Seit 2018 befindet sich diese bereits in einer Rezession. Der Coface-Index wirtschaftspolitischer Unsicherheit für Deutschland sei in diesem Kontext gestiegen, damit dieser wieder sinke, sei eine schnelle Koalitionsbildung notwendig. Die Sondierungsgespräche haben am 2. März begonnen.

Bei vielen Themen tickt nach Ansicht der Expertinnen und Experten die Uhr – Beispiele sind Steuern, hohe Energiekosten und der Mangel an Investitionen in Digitalisierung, Bildung und Infrastruktur. Die meisten wichtigen Massnahmen sind laut Coface nicht ohne eine Änderung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse möglich, die die jährliche Neuverschuldung auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandprodukts begrenzt. Doch dafür muss die Union eine Zweidrittelmehrheit mit den drei linken Parteien im Bundestag organisieren.

Auch die Militärausgaben dürften sich nach dem angekündigten Rückzug der USA von ihrem Engagement in der Ukraine und der NATO erhöhen. Je früher diese laut der Einschätzung aus der Schuldenbremse herausgenommen werden, desto besser stehen die Chancen auf eine Einigung. Dennoch würden die Verhandlungen über die Massnahmen einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Fachleute erwarten keine grössere Reform vor der zweiten Hälfte 2025.

Das Länderrisiko Deutschlands steht momentan bei Coface auf einer A3. Dadurch werden makroökonomisch und finanziell weniger günstige Aussichten konstatiert, aber die klimabedingten und staatlichen Risiken als zufriedenstellend angesehen.

Im aktuellen Country & Sector Risks Handbook für das Jahr 2025 hat Coface weitere Details zum Risikoprofil Deutschlands und weiterer knapp 160 Länder aufbereitet. Im Zentrum stehen neben den Länderbewertungen die Einschätzungen des jeweiligen Geschäftsklimas, der Branchenrisiken und möglicher Ausfallquoten der Unternehmen. Die Publikation ist kostenfrei zugänglich und soll laut Coface Entscheidungstragende dabei unterstützen, die richtigen Strategien zu wählen und Risiken zu vermeiden, bevor diese als Kreditverluste wirksam werden. Coface unterstützt Schweizer Unternehmen seit 1995 bei ihrer internationalen Entwicklung und betreibt Standorte in Zürich und Lausanne. ce/mm

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