Christoph Mäder wählte deutliche Worte. Die Schweizer Europapolitik befinde sich nach dem Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen in der Krise, sagte der economiesuisse-Präsident am Donnerstag an der Jahresmedienkonferenz des Verbands. Die Erosion der bilateralen Abkommen habe bereits begonnen – «sie schadet und sie schmerzt», meinte Mäder.
Stabile Beziehungen zur EU sind unerlässlich
Dass der Bundesrat bisher keinen konkreten Plan vorgelegt habe, sei bedauerlich. Eine Auslegeordnung und das Initiieren eines politischen Dialogs mit der EU innerhalb der nächsten zwei Jahre sei nicht genügend. Mäder sagte: «Ein so langes Zeitfenster ist für uns inakzeptabel.» Auch aus Sicht der Zürcher Handelskammer (ZHK) ist es Zeit zu handeln. Stabile Beziehungen zur EU als wichtigster Handelspartner der Schweiz sind unerlässlich.
Vor allem in den Bereichen Börsen und Banken, Medizinaltechnik, Forschung und Stromversorgung seien Lösungen prioritär anzugehen, forderte Mäder. Auch eine Klärung der institutionellen Frage sei nötig, weil die Unternehmen dringend Rechtssicherheit in den Wirtschaftsbeziehungen mit der EU bräuchten. Ein möglicher Ansatz sind für economiesuisse sektorielle Lösungen in Kombination mit einem allgemeinen Abkommen zur Regelung der Marktteilnahme. Wie dies konkret umgesetzt werden könnte, skizziert economiesuisse in ihrer veröffentlichten europapolitischen Publikation.
OECD-Steuerreform: Massnahmen zur Standortförderung notwendig
Als weitere grosse Herausforderung nannte der economiesuisse-Präsident die internationale Steuerreform der OECD-/G-20-Staaten. Die Wirtschaft sei erleichtert, dass der Bundesrat bereits die inhaltlichen Eckwerte der Umsetzung in der Schweiz bekanntgegeben hat. Demnach soll die Mindeststeuer auf den 1. Januar 2024 in Kraft treten. Die Unternehmen, sagte Mäder, würden nun erwarten, dass Bund und Kantone ihren Spielraum für Massnahmen zur Standortförderung nutzen.
Die ZHK sieht hier ebenfalls Handlungsbedarf, wie sie in ihrer wirtschaftlichen Reformstrategie für den Kanton Zürich ausgeführt hat. Die Unternehmenssteuern müssen gesenkt, der zweite Schritt der Steuervorlage 2017 vollzogen und die kantonale Steuerprogression angepasst werden, insbesondere bei hohen Einkommen und Vermögen. Daneben müssen Prozesse in der Verwaltung beschleunigt und die Digitalisierung vorangetrieben werden. Eine einfache, aber wirksame Möglichkeit zur Steigerung der Standortattraktivität ist auf nationaler Ebene zudem die Abschaffung der Emissionsabgabe in der Volksabstimmung vom 13. Februar.
Reform der Verrechungssteuer: Impuls für die Wirtschaft
Ein weiterer volkswirtschaftlicher und finanzpolitischer Impuls für die Standortattraktivität bringt laut Mäder die Reform der Verrechnungssteuer. Diese sieht vor, Zinsen inländischer Obligationen von der Verrechnungssteuer zu befreien. Wollen Schweizer Unternehmen ausländische Anleger gewinnen, sind sie heute faktisch gezwungen, dies im Ausland zu tun. Das ist für die Firmen teuer. Der Schweizer Finanzplatz verliert Geschäft und Arbeitsplätze und der Staat hat geringere Steuereinnahmen. Die Vorlage zielt nun darauf ab, Neugeschäft in die Schweiz zurückzuholen. Damit ist für Mäder klar, dass die Reform substanzielle Mehreinnahmen bei Einkommens- und Gewinnsteuern bringen wird. «Dieser Impuls ist dringend notwendig, trotzdem hat das linke Lager das Referendum ergriffen», sagte Mäder. Die Zürcher Handelskammer setzt sich mit voller Kraft für die Reform der Verrechnungssteuer ein. asü