Dieser Tage traf ich mich mit Luc Frieden, dem Präsidenten von Eurochambres, dem Dachverband europäischer Industrie- und Handelskammern. Die Schweizer Handelskammern haben dort einen assoziierten Status. Es ist uns wichtig, auf diese Weise Zugang zu einem Netzwerk zu haben, in welchem auf europäischer Ebene wirtschaftsrelevante Fragen zur Sprache kommen: die Sicherstellung des europäischen Binnenmarkts, der Abbau von Hindernissen, die den gegenseitigen Handel beschränken, der Zugang zu Arbeitskräften.
Es ist kein Geheimnis, dass die Schweizer Handelskammern, ja wohl praktisch alle Wirtschaftsverbände, höchst besorgt sind über den aktuellen Zustand des Verhältnisses zwischen der Schweiz und der EU und die Zukunft der bilateralen Verträge. Ein Schreiben mit entsprechendem Inhalt wurde denn auch vor einiger Zeit an den Bundesrat geschickt.
Insbesondere die Industrie bekommt aktuell zu spüren, dass das bestehende Vertragsverhältnis mit der EU erodiert. Die Regeln über die gegenseitige Anerkennung der Konformität von Produkten läuft aus. Vieles muss im EU-Raum neu zertifiziert werden. Natürlich – das ist machbar, aber es bedeutet mehr Aufwand und damit auch höhere Kosten in einem ohnehin schon angespannten Umfeld. Dass der Bundesrat dem Rahmenabkommen vor einem Jahr den Stecker gezogen hat, hat zudem massive Auswirkungen auf unseren Forschungsstandort. Die Schweiz ist vom grossen europäischen Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon Europe ausgeschlossen. Unsere Hochschulen und Universitäten können keine entsprechenden Programme mehr koordinieren, unsere Startups nicht mehr an Finanzierungsrunden teilnehmen. Die Präsidenten unserer technischen Hochschulen finden denn auch klare Worte dafür, welchen Nachteil dies für unser Land bedeutet.
Es ist nun ein Jahr her, dass der Bundesrat die Verhandlungen mit der EU über ein institutionelles Rahmenabkommen abgebrochen hat. Im Nachgang hat er dies unter anderem mit mangelnder innenpolitischer Erfolgsaussicht begründet, dies meistens mit dem Verweis auf den Widerstand linker Kreise in Bezug auf – wohlverstanden moderate – Anpassungen der flankierenden arbeitsmarktlichen Massnahmen. Dass man den rückwärtsgewandten Gewerkschaften derart viel Macht attestierte, fanden wir schon damals mehr als bemerkenswert. Umso spezieller ist, dass eben diese Gewerkschaften heute von sich aus bekannt geben, dass sie auch mit einer Verkürzung der Anmeldefrist für ausländische Arbeitskräfte leben könnten. Verpasste Chance, kann man da nur sagen.
Ausser exploratorischen Gesprächen hat zwischen Gesandten der EU und der Schweiz seither nicht viel stattgefunden. Der Bundesrat hat zwar Ideen präsentiert, ob und wie sich diese zusammen mit der EU umsetzen lassen, steht in den Sternen. Will man den bilateralen Weg sichern und diesen für die Zukunft weiterentwickeln, dann müssen die Verhandlungen mit der EU nun zügig wieder aufgenommen werden. Ein weiteres Zuwarten ist keine Option sondern wird dem Schweizer Wirtschaftsstandort nachhaltigen Schaden zufügen.