Am 28. Februar stimmen wir über vier nationale Vorlagen ab. Aus Sicht der Wirtschaft zu wenig im Fokus stand dabei bis anhin die sogenannte Durchsetzungsinitiative der SVP. Denn ihre Problematik für den Wirtschaftsstandort erschliesst sich erst auf den zweiten Blick. Die Initiative will der im Jahr 2010 von der Schweizer Stimmbevölkerung angenommenen Ausschaffungsinitiative „zur Durchsetzung“ verhelfen. Dazu soll ein detaillierter Katalog von Delikten in der Verfassung verankert werden, die Anlass für eine Ausschaffung von Ausländerinnen und Ausländern sein sollen. Das Spektrum reicht dabei von Bagatellen bis zu Mord.
Rechtsstaatlich bedenklich
Aus Sicht unseres demokratischen Rechtsstaates steht diese Initiative quer in der Landschaft. Sie schreibt etwas in die Verfassung, was in einem Gesetz geregelt werden müsste und somit in die Kompetenz des Parlaments fällt. Dieses ist denn auch tätig geworden und hat zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative klare gesetzliche Regelungen erlassen, die sofort in Kraft treten könnten. Bereits bevor das Parlament seine Tätigkeit aufgenommen hatte, lancierte die SVP aber die Durchsetzungsinitiative – ein Misstrauensvotum sondergleichen an den vom Volk gewählten Gesetzgeber. Der vom Parlament verabschiedete Gesetzestext stellt nicht in Frage, dass Ausländerinnen und Ausländer, die wegen schwerer Delikte verurteilt wurden, aus unserem Land ausgewiesen werden können. Zu Recht, denn wer eine Gefahr für unsere öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, hat hier nichts verloren. Im Gegensatz zur Initiative sehen die vom Parlament erlassenen Bestimmungen aber richtigerweise vor, dass den Gerichten in Härtefällen ein Ermessensspielraum zukommt. Und, dass klar unterschieden wird, zwischen Bagatellen und schwerer Kriminalität. Wenn ein junger Secondo ein Fahrrad entwendet, ist das zwar höchst ärgerlich, und er wird auch dafür bestraft. Er stellt für unsere Bevölkerung aber keine Bedrohung dar, deretwegen er in ein Land ausgewiesen werden müsste, in dem er noch nie gelebt hat.
Unsicherheit ist Gift für unseren Standort
Die Initiative setzt damit das Zusammenspiel zwischen unseren demokratisch legitimierten Gewalten (Parlament und Gerichte) ausser Kraft. Dies ist aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich. So wie die Durchsetzungsinitiative formuliert ist, verletzt sie zudem das Personenfreizügigkeitsabkommen, das die Schweiz mit der EU abgeschlossen hat. Denn auch Staatsangehörige europäischer Staaten sollen bereits bei Kleinstvergehen in ihr Herkunftsland ausgeschafft werden. Und hierin liegt die Hauptproblematik aus Sicht der Wirtschaft: Die Initiative schafft neue Unsicherheiten in Bezug auf unser Verhältnis zur EU und damit in Bezug auf die Zuverlässigkeit und Rechtsbeständigkeit unseres Wirtschaftsstandorts. Bereits heute hängt die ungeklärte Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative wie ein Damoklesschwert über uns. Unsicherheit in Bezug auf die Rechtsentwicklung eines Standortes ist jedoch Gift. Schon gehen Ansiedlungen ausländischer Unternehmen in der Schweiz zurück und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Und die Erklärung dazu ist deutlich: man weiss nicht, was einem erwartet. Hier mit der Durchsetzungsinitiative noch zusätzliche Probleme zu schaffen, können wir uns angesichts ohnehin schon angespannter Rahmenbedingungen nicht leisten.
Wem die Zuverlässigkeit und Attraktivität unseres Wirtschaftsstandortes am Herzen liegt, der lehnt die Durchsetzungsinitiative somit klar ab. Und zwar ohne dass er Angst haben müsste, Kriminalität in unserem Land würde deshalb toleriert.