Die Debattenkultur ist auch ein Standortvorteil der Schweiz. Die Positionen mögen noch so unterschiedlich sein - eine konstruktive Diskussion ist möglich. Eine solche bot am Montagabend ein vielfältig besetztes Podium des Forums Zürich zur Steuer-Initiative der linken AL, die am 25. September zur Abstimmung kommt. Auf dem Podium sprachen unter der Leitung von Daniel Fritzsche, Ressortleiter Zürich der NZZ, Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP), Niklaus Scherr, Alt-Gemeinderat AL, Harry Brandenberger, Kantonsrat SP, Doris Meier, Kantonsrätin FDP, und Marcel Suter, Kantonsrat SVP. Die Frage, die im Raum stand: «Braucht es eine Erhöhung der Dividendenbesteuerung im Kanton Zürich?»
Konkret fordert die AL in ihrer Initiative, dass Aktionärinnen und Aktionäre, die mehr als zehn Prozent an einer AG oder GmbH besitzen, die ausgeschütteten Gewinne neu zu 70 statt wie bisher zu 50 Prozent versteuern müssen. Eine solche Erhöhung hätte für sie eine um rund 7 Prozent höhere Steuerbelastung zur Folge.
Organisator der Podiums-Veranstaltung war das Forum Zürich, die Plattform der Zürcher Wirtschaftsverbände. Der Forums-Vorsitzende Robert E. Gubler machte keinen Hehl aus seiner Haltung. Die Vorlage sei für den Kanton Zürich sehr wichtig – eine Annahme der AL-Initiative würde die Attraktivität des Kantons Zürich schwächen.
Standortattraktivität steht auf dem Spiel
Finanzdirektor Ernst Stocker teilte diese Befürchtung in seinem Einführungsreferat. Im Falle einer Annahme der Vorlage wäre mit Wegzügen von Firmen und mit einem Rückgang von Steuereinnahmen zu rechnen, warnte er. Dass die Staatskasse 40 Millionen Franken mehr einnehme, wie die AL vorrechne, sei nur in der Theorie so - in der rechnerischen Annahme, dass niemand auf die Steuererhöhung reagiere und niemand wegziehe. In der Realität gehöre der Kanton Zürich bei den Unternehmenssteuern aber schon heute zu teuersten der Schweiz. Eine weitere Erhöhung sei deswegen gefährlich und sie wäre ein schlechtes Signal für die Standortattraktivität des Kantons, sagte Ernst Stocker.
Auch mit Blick auf das grosse Bild störe ihn, wie stark die AL so genannt Reiche zum Feindbild stilisiere, sagte Stocker. Er dagegen sei dankbar, dass wohlhabende Personen Zürich die Treue hielten – und kontinuierlich die Staatskasse alimentierten. Als Beispiel nannte Stocker eindrückliche Zahlen: Im Jahr 2021 betrug der Steuerertrag des Kantons Zürich insgesamt 7598 Millionen Franken. Die Top-25-Prozent der Steuerzahlenden steuerten 98,8 Prozent dazu bei. Die Top-1-Prozent zahlten 60,6 Prozent aller Steuererträge. Und ergänzend: Allein die Top-0.01-Prozent der Zürcher Steuerzahlenden leisten 14.2 Prozent aller Beiträge. Stocker meinte: «Diese Leute zahlen gerne hier Steuern. Wenn wir sie noch mehr belasten, sagen sie irgendwann: <Jetzt reichts – und ziehen in einen anderen Kanton>.»
Auch die Inhaberinnen und Inhaber von KMU wären betroffen
Niklaus Scherr (AL) und Harry Brandenberger (SP) hielten dagegen, dass Steuern weder für Unternehmen noch für Privatpersonen der einzige Faktor sei, der zähle. Brandenberger verwies darauf, dass er selbst Unternehmer und Inhaber einer Unternehmung sei. Er zahle tatsächlich gerne Steuern, im Wissen darum, dass die Infrastruktur gut sei und qualifizierte Fachkräfte ausgebildet würden. Doris Meier (FDP) replizierte, dass dies kein Grund sein könne, die Unternehmen noch mehr zu belasten. Zürich stehe heute im kantonalen Vergleich schlecht da. Marcel Suter (SVP) betonte, dass die Initiative nicht nur so genannt Reiche treffe, sondern Dutzende KMU, Inhaberinnen und Inhaber von Schreinereien, Bäckereien, IT-Betrieben, Kreativ-Agenturen etc. Dies dürfe vor lauter Klassenkampf-Rhetorik der Linken nicht vergessen gehen.
Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern
Dieser Punkt ist auch für die Zürcher Handelskammer (ZHK) zentral. "Keine Steuergeschenke für Grossaktionärinnen und Grossaktionäre» nennt die AL ihre Volksinitiative - ein Etikettenschwindel. Die AL gibt vor, Grossaktionäre zu treffen, effektiv schaden würde sie aber den Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmern im Kanton Zürich.
Erst Stocker hat zudem Recht: Bei einer Annahme der Initiative drohen Firmenwegzüge. Unsere Nachbar-Kantone würden sich freuen, wenn wir den Standort Zürich mutwillig schlechter stellten. Der Handlungsbedarf ist ausgewiesen, wie aktuelle Entwicklungen unterstreichen. Für das Jahr 2021 hat der Informationsdienstleisters Crif ausgerechnet, wie viele Unternehmen pro Kanton zu- und weggezogen sind. Zürich findet sich am Tabellenende - der Saldo ist klar negativ. Rund 1500 Firmen haben 2021 Zürich verlassen und in einem anderen Kanton eine neue Heimat gefunden. Nur rund 1150 sind zugezogen. Es gilt Gegensteuer zu geben. Es gilt, die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern – auch die steuerlichen. Und zuerst gilt es, am 25. September die AL-Initiative deutlich abzulehnen. asü