Dem Fachkräftemangel mit Ideenreichtum begegnen

Viele Unternehmen spüren heute schon einen Fachkräftemangel. Aufgrund der demografischen Entwicklung verschärft sich die Problematik. Was ist zu tun? Dies diskutierten an einem Anlass der Zürcher Handelskammer Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.

Für die Zürcher Handelskammer (ZHK) hat der Fachkräftemangel hohe Priorität, wie Direktor Raphaël Tschanz am Anlass der Reihe Wirtschaft@Wirtschaft in der Bar am Wasser ausführte. Der Handlungsbedarf sei ausgewiesen. Gemäss einer Untersuchung des Amts für Wirtschaft und Arbeit fehlen allein im Kanton Zürich bis 2050 210'000 Arbeitskräfte. Um diese Herausforderung zu meistern, sucht eine von der ZHK geführte Arbeitsgruppe mit Beteiligung von Mitgliedern nach geeigneten Massnahmen. Wichtig ist für Raphaël Tschanz unter anderem, dass das Potenzial der Berufstätigen im Inland besser ausgeschöpft werde und dazu passende Weiterbildungen angeboten und genutzt würden.

Gewisse Regionen schrumpfen - auch in der Schweiz

Die Ausgangslage und mögliche Massnahmen schilderten im ersten Teil des ZHK-Events Hendrik Budliger, Gründer und Leiter des Instituts Demografik, und Andrea Rytz, CEO der Schulthess Klinik. Hendrik Budliger betonte einen seiner Merksätze: «Die Zukunft ist anders als die Vergangenheit.» Auch wenn die Schweizer Bevölkerung wachse, stagniere die Anzahl der Personen im erwerbstätigen Alter. Dieser Wandel sei für die Schweiz neu. 
Wichtig sei zu bedenken, dass sich die Regionen in der Schweiz unterschiedlich entwickeln würden: «Graubünden wird schrumpfen, Zürich wird aufgrund vieler Zuzüger wachsen.» In Bezug auf die Zuwanderung sagte Hendrik Budliger: «Wenn wir keine 10-Millionen-Schweiz werden, wird die Anzahl Personen im erwerbstätigen Alter insgesamt schrumpfen. Eine schrumpfende Gesellschaft bringt auch Probleme.» Dies müsse differenziert diskutiert werden.  
Als wichtige Massnahme für Unternehmen stellte der Demograf fest: «Bei Stellenbesetzungen wird immer die richtige Person für den ersten Tag gesucht. Das ist falsch. Man müsste die richtige Person für die nächsten Jahre suchen. Hier muss sehr viel passieren im Denken.»

«Entscheidend ist die Unternehmenskultur»

Andrea Rytz mahnte, dass der Fachkräftemangel in der Gesundheitsbranche besonders akzentuiert sei. Bis 2040 fehlten gemäss einer PWC-Studie 5'500 Ärztinnen und Ärzte und 40'000 Pflegende. Generell sieht sie einen wichtigen Lösungsansatz in der Unternehmenskultur: «Sie können sich nicht vorstellen, was in einem Unternehmen passiert, wenn Leute, die sonst unsichtbar sind, auf die Bühne geholt und für ihre Ideen gefeiert werden.» Für die Mitarbeitenden zähle nicht allein der Lohn. Entscheidend sei die Kultur, die Stimmung. «Dieser Spirit muss aktiv gefördert werden.»
In Bezug auf die Pflege kritisierte Andrea Rytz, dass das Problem des Fachkräftemangels hausgemacht sei. Vor etwa 20 Jahren sei die Pflege verakademisiert worden. Wichtig sei nun, das Image der Pflege aufzubessern und den Jungen Erfolgsgeschichten zu erzählen und das Potenzial des Berufs aufzuzeigen: «Im Spital hat man heute gute Chancen, Karriere zu machen.»
 

«Den Jungen die Chancen aufzeigen»

Auf dem Podium brachte Andreas Juchli, Kantonsrat (FDP) sowie CEO und Verwaltungsratspräsident des medizinischen Dienstleistungsunternehmens JDMT, die Sicht der Politik ein. Die 10-Millionen-Schweiz als Drohkulisse zu bewirtschaften, zielt für ihn in die falsche Richtung. «Der Arbeitsmarkt soll die Zuwanderung regeln. Solange wir Mitarbeitende suchen, sollen wir sie aufnehmen können – aus Ländern, die unserer Kultur möglichst nahe sind.» Dass sonst der Wohlstand in Gefahr sei, sei eben keine Floskel, sondern Realität. Und Andreas Juchli ergänzte: «Der Wohlstand der Gesellschaft ist eine Voraussetzung für alles andere.» Positiv sieht der FDP-Kantonsrat und Unternehmer die Perspektiven für die Jungen. «Die Ausgangslage bietet ihnen enorm viele Chancen. Diese müssen wir den Jungen aufzeigen.»

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