„Es herrscht Goldgräberstimmung“, hat Paul Schneeberger am Lunch Talk der Zürcher Handelskammer (ZHK) zum Thema „Mobilität effizient bewältigen“ am Donnerstag gesagt. Die Mobilität stehe dank Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung mitten in einem technischen Umbruch. Allerdings macht der Mobilitätsexperte und Inlandredaktor der „Neuen Zürcher Zeitung“ in der Schweiz immer noch eine zu starke Betonung der „Hardware“ aus, also den Strassen und der Schiene. Das Internet habe den Personenverkehr trotz Home Office und Telearbeit noch nicht wirklich erreicht, während der elektronische Handel den Güterverkehr sogar noch weiter antreibe. Dabei sollte die Schweiz mit ihrem Wohlstand, ihrem knappen Boden und ihren Fähigkeiten zur Avantgarde einer klugen Mobilität gehören.
Immerhin: Schneeberger macht einen erfreulichen Pragmatismus aus. Versuche mit autonom fahrenden Bussen oder das Projekt einer Gütermetro, des Cargo sous terrain, zeigten in die richtige Richtung. Die Schweiz müsse sich ihre Ziele in der Mobilität bewusst machen. Dazu könnten eine höhere Effizienz bei den Treibstoffen, dem Raumverbrauch und den Kosten ebenso gehören wie die Förderung der dezentralen Siedlungsentwicklung und die Vernetzung aller Verkehrsmittel am richtigen Ort. Aus den Zielen könnten dann die richtigen Mittel abgeleitet werden: eine kluge Arbeitsteilung zwischen den Verkehrsmitteln und finanzielle Anreize. Eine kluge Verkehrslösung sei auch ein Standortvorteil.
Bei Jeannine Pilloud stiess Schneeberger auf offene Ohren. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir uns fragen müssen, ob immer mehr auch wirklich besser ist“, sagte die SBB-Delegierte für die Branchenentwicklung des öffentlichen Verkehrs. Ein weiterer Ausbau des Angebots sei unverzichtbar, ein besserer Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage aber auch. Dazu brauche es intelligente Lösungen. Denn im Durchschnitt seien die Züge in der Schweiz eben nur zwischen 20 und 30 Prozent ausgelastet. So habe die SBB durch Passagierbefragungen festgestellt, dass nur 40 Prozent der Pendler gezwungen seien, in Stosszeiten zu fahren. 60 Prozent dagegen täten es vor allem, weil ihre eigenen Gewohnheiten oder die Normen in den Unternehmen dies nahelegten. Daher arbeite die SBB mit Unternehmen an „smarten“ Lösungen. Mit der Work-Smart-Initiative, an der sich bereits 149 Unternehmen mit mehr als 80.000 Mitarbeitern beteiligen, würden flexible, ortsunabhängige Arbeitsformen gefördert. „Aber solche Lösungen brauchen Zeit“, sagte Pilloud. Die Unternehmen müssten ebenso ihre Normen ändern wie die Mitarbeitenden ihre Gewohnheiten.
Dagegen sei die Steuerung der Mobilität über unterschiedliche Preise je nach Tageszeit und Verkehrsaufkommen noch heikel. „Wir sind dabei, uns damit zu beschäftigen, aber das ist eine heilige Kuh der Schweiz“, sagte Pilloud. Immerhin hätten heute rund 60 Prozent der Bahnreisenden ein verbrauchsunabhängiges Abonnement.
Aus der Sicht von Regine Sauter ginge eine solche Steuerung über den Preis in die richtige Richtung. „Ein Ausbau des Angebots kann nur ein Teil der Lösung sein“, so die ZHK-Direktorin und Zürcher FDP-Nationalrätin. „Eine Anpassung der Preisbildung wäre zielführend.“ stk