Bilaterale III - Fokus: Dynamische Rechtsübernahme

Eine der Kernfragen der Verhandlungen zu den Bilateralen III dürfte die dynamische Rechtsübernahme sein. Doch um was

geht es genau? Und was bedeutet dieser Mechanismus für die Souveränität der Schweiz?

Um was geht es?

Die dynamische Rechtsübernahme soll eine regelmässige Aktualisierung der bestehenden und künftigen Binnenmarktabkommen zwischen der Schweiz und der EU sicherstellen. Die Pflicht zur dynamischen Rechtsübernahme ist bereits heute im Luftverkehrsabkommen (Bilaterale I) sowie im Schengen/Dublin-Abkommen (Bilaterale II) verankert und hat seit deren Inkrafttreten 2002 bzw. 2008 zu keinerlei Problemen geführt. Anwendbar ist gemäss Verhandlungsmandat die dynamische Rechtsübernahme bei den fünf bestehenden und den zwei neuen Binnenmarktabkommen (Strom und Lebensmittelsicherheit) sowie bei einem allfälligen Kooperationsabkommen im Bereich Gesundheit.

Die dynamische Rechtsübernahme bedeutet indes keine automatische Rechtsübernahme. Die Schweiz wird über jede einzelne Übernahme von Binnenmarktrecht innerhalb der Binnenmarktabkommen Schweiz-EU autonom entscheiden können. Die direktdemokratischen Entscheidungsprozesse der Schweiz werden dabei gewahrt: Für die dynamische Rechtsübernahme hat die Schweiz jeweils zwei Jahre Zeit. Sollte es zu einem Gesetzesreferendum kommen, wird der Schweiz ein zusätzliches Jahr zur Umsetzung zugesichert.

Streitbeilegungsmechanismus

Im Streitfall sieht das aktuelle Verhandlungsmandat vor, dass die Parteien im sog. Gemischten Ausschuss nach einer politischen Lösung suchen. Bei fehlender Einigung kann jede Vertragspartei den Streit einem paritätischen Schiedsgericht unterbreiten. Dabei ist entscheidend, ob zur Klärung eines Streitfalls die Auslegung oder Anwendung von unionsrechtlichen Begriffen erforderlich ist. Falls ja, unterbreitet das Schiedsgericht diese Frage dem EuGH zur verbindlichen Auslegung.

Heute hat die Schweiz kein Rechtsmittel, wenn die EU ein Abkommen nicht mehr oder «falsch» anwendet. Die EU weigert sich z.B., das Abkommen über die technischen Handelshemmnisse an die Rechtsentwicklung der EU anzupassen. Dadurch verliert die Schweiz in den betroffenen Bereichen – wie z.B. den Medizinprodukten – die Binnenmarktteilnahme. Allerdings kann sich die Schweiz heute nicht dagegen wehren, weil es keine Möglichkeit gibt, das paritätische Schiedsgericht zu einem solchen Fall anzurufen. Das würde sich mit den Bilateralen III in Zukunft ändern.

Ausgleichsmassnahmen

Gemäss Verhandlungsmandat ist neu vorgesehen, dass bei einer Verletzung im betroffenen Abkommen aber auch in einem anderen Binnenmarktabkommen verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen der Parteien ergriffen werden können. Ausserdem soll die Schweiz bei der Entwicklung des relevanten EU-Binnenmarktrechts künftig wie die EU-Mitgliedstaaten systematisch konsultiert werden und ihre Anliegen im Rahmen des «decision shaping» aktiv einbringen können. Eine klare Verbesserung gegenüber heute.
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