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Neue Materialien sowie Robotik und Künstliche Intelligenz entwickeln sich rasant und bergen viele Chancen, aber auch Risiken. Für Unternehmen stellt sich die Herausforderung, den Anschluss nicht zu verlieren, sondern das Potenzial zu nutzen – und die Innovationskraft zu erhalten. Dies zeigte sich am dritten Wirtschaft@Wirtschaft-Event der Zürcher Handelskammer.
«Für jetzt und die nächste Generation», so lautet das Motto der Zürcher Handelskammer im Jahr ihres 150-jährigen Bestehens. Thematisiert wird während des gesamten Jubiläumsjahres, wie Jüngere und Ältere, Unternehmerinnen, Künstler, Schülerinnen oder Arbeitnehmer die Gegenwart und vor allem die Zukunft sehen. Unter anderem ist die ZHK eine Partnerschaft mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) eingegangen. Studentinnen und Studenten der ZHdK haben sich dabei in Kunstwerken mit den wichtigsten Megatrends auseinandergesetzt. Diese Kunstwerke werden nach den Sommerferien auf Plakaten in der Stadt Zürich zu sehen sein, sie können in einer am 8. September endenden Auktion erworben werden – und sie sollen Diskussionen auslösen.
In der Event-Reihe Wirtschaft@Wirtschaft tun sie dies bereits. Am Montag sorgten in der Bar am Wasser die Megatrends New Materials und Human Machine für Diskussionsstoff – mit Nadine Bienefeld, Senior Researcher und Dozentin an der ETH Zürich, Lorenz Herrmann, Leiter des Departments Moderne Materialien und Oberflächen der Empa, sowie Moritz Schiller, Gründer von Mycrobez.
ZHK-Direktorin Regine Sauter sagte einleitend, dass der Standort Zürich ausgezeichnetes Potenzial habe, um in diesen Themen eine Spitzenposition einzunehmen. Dies müsse auch der Anspruch sein. «Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung müssen auf Augenhöhe zusammenspannen, um neue Lösungen zu entwickeln und marktfähig zu machen. Diese Innovationen werden auch sehr wichtig sein, um punkto Nachhaltigkeit und Klimaschutz Verbesserungen zu erreichen», sagte Regine Sauter.
Lorenz Herrmann stimmte dieser Aussage zu – und ergänzte, dass es bezüglich Nachhaltigkeit schnell gehen müsse. Für Unternehmen betonte er die Herausforderung, dass die Innovationsfähigkeit hoch bleibe und in den neuen Technologien der Anschluss nicht verloren gehe. Technologien würden interdisziplinärer und komplexer: «Die Zukunft wird variabel sein.» Ein grosses Thema seien CO2-negative Anwendungen und im Gesundheitsbereich antibakterielle Materialien. Angesichts des rasanten Tempos des Wandels ist für ihn der Wissenstransfer zentral: «Um die Menschen mitzunehmen, müssen wir aus dem Labor und mit den Menschen in Dialog treten, wie wir das etwa in unserem Projekt Nest in Dübendorf tun.»
Moritz Schiller setzt mit seinem Unternehmen Mycrobez auf Pilzsporen, um neue Ansätze für Bau- und Verpackungsmaterialien zu entwickeln. «Pilze sind ein Baustein der Zukunft» sagte er. Es sei einfacher, ein Material zu ändern als das Verhalten der Menschen. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft gelte es, wegzukommen von Plastik als Verbrauchsmaterial und insbesondere von Einwegverpackungen. Beeindruckend ist sein Werdegang: Die Auseinandersetzung mit Pilzen nahm in der Maturarbeit ihren Lauf, die er zusammen mit zwei Kollegen abschloss. Danach gründeten die drei gleich ihr eigenes Startup – mit Erfolg. Seine Erfahrung brachte Moritz Schiller so auf den Punkt: «In der Schweiz gibt es eine hohe Risikobereitschaft für innovative Technologien und Ideen.» Als Jungunternehmen habe man aber begrenzte Ressourcen – «man hat vielleicht zwei Shots, um das das Ziel zu treffen».
«Es geht schnell, man muss fit bleiben», dies betonte auch Nadine Bienefeld. Die Entwicklung berge sowohl Chancen als auch Risiken – und es läge an der Gesellschaft, auf die Chancen zu fokussieren. «Die Entwicklung geschieht nicht einfach – wir müssen sie prägen.» Für die Schweiz biete sich die Chance, in der ethischen Diskussion führend zu sein. Auch in der Ausbildung und in Weiterbildungsprogrammen in Unternehmen müsse ein Umdenken stattfinden. Zentral seien Fragen, wie die Arbeitskräfte respektive die Mitarbeitenden fit für die Zukunft gemacht werden könnten und wie es gelinge, Innovation von innen weiterzutreiben.
In vielen Anwendungsbereichen gebe es enorme Chancen, zum Beispiel Entscheidungsunterstützungssysteme in der medizinischen Diagnostik. Viele Arbeiten können automatisiert und die Menschen so entlastet werden, damit sie sich auf ihre Kerntätigkeit konzentrieren könnten. Für Ärztinnen und Ärzte beispielsweise wäre es eine grosse Erleichterung, wenn sie dank künstlicher Intelligenz von administrativen Aufgaben entlastet würden. Deswegen würden diese Fachpersonen nicht gleich arbeitslos, sagte sie, und illustrierte dies mit der pointierten Aussage: «Nicht der Mensch in seiner Rolle wird ersetzt, sondern der Radiologe, der sich der KI nicht öffnet und sich damit überflüssig macht.»
Breit diskutiert werden aktuell Tools wie Chat GPT, die auch Unternehmen herausfordern. Für Nadine Bienefeld ist Chat GTP ein mächtiges Tool, der Mensch müsse aber im Lead bleiben und das Instrument kontrollieren. Als Unternehmen müsse man sich überlegen, wie mit den neuen technologischen Möglichkeiten umzugehen ist, ob es dafür interne Regeln brauche und wie die Sicherheit der Anwendungen und Daten gewährleistet werden könne. Der kritische Umgang müsse früh gelernt werden: «Ganz entscheidend ist das kritische Denken im Umgang mit Quellen und mit der Technologie allgemein: Wenn wir die Kontrollfähigkeit verlieren, kann es gefährlich werden.»
Der nächste Anlass in der Reihe Wirtschaft@Wirtschaft findet am Montag, 10. Juli statt, ebenfalls ab 8.30 Uhr in der Bar am Wasser.