Bildquelle: Tim Love Weber

Standort Zürich: Vernetzung als Erfolgsrezept

Der Kanton Zürich behauptet sich als wirtschaftliches Herz der Schweiz. Doch angesichts des rasanten Wandels sind die Herausforderungen gross. Besonders wichtig sind die Themen Digitalisierung, Demografie und Regulierung. Am «Fokus Standort », der von der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich initiiert und unter anderem von der Zürcher Handelskammer unterstützt wurde, diskutierten Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung, wie Zürich diesen Herausforderungen begegnet und seine Spitzenposition sichert.

Regierungsrätin Carmen Walker Späh sprach zur Eröffnung des «Fokus Standort» vom 16. Januar 2025 Klartext. Um Spitze zu bleiben, müsse sich der Standort Zürich bewegen. Alle Akteure müssten gemeinsam ausloten, wo Luft nach oben bestehe. Der «Fokus Standort», eine Veranstaltung des Amts für Wirtschaft der Volkswirtschaftsdirektion, biete Gelegenheit, die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Zürich aktiv mitzugestalten und sich mit Wirtschaft, Wissenschaft und Politik auszutauschen. Die Volkswirtschaftsdirektorin sagte: «Wir wollen hier nicht für die Galerie arbeiten. Wir sind Kümmerer des Standorts – und gefordert, in die Tiefe zu gehen und konkret Massnahmen zu entwickeln.»

Eine Umfrage im Vorfeld das Anlasses bei Unternehmen hat laut der Regierungsrätin ergeben, dass diese grundsätzlich die hohe Standortqualität schätzen, aber insbesondere in drei Themen Verbesserungspotenzial sähen: «Sie stören sich an der Politik, an der Verwaltung und an der hohen Steuerbelastung.» Bezüglich dem letzten Punkt habe der Regierungsrat gehandelt: Die Steuervorlage 17, die eine moderate Senkung des Gewinnsteuersatzes für Unternehmen vorsieht, kommt am 18. Mai an die Urne. Was Knackpunkte an der Politik und der Verwaltung sind, gelte es im Dialog zu klären. Klar hervorgegangen sei aus der Umfrage, dass auch die Unternehmen folgende Themen als drängende Handlungsfelder orten: Digitalisierung, Demografie und Regulierung.

«Smart regulieren»

Diskussionsgrundlage für den «Fokus Standort» bildeten die aktuell herausgegebene Trendanalyse Standort Kanton Zürich und das «Zürcher Wirtschaftsmonitoring Januar 2025». Gemäss den Analysen bleibt der Kanton Zürich das wirtschaftliche Zentrum der Schweiz und besticht durch starke Sektoren wie Finanzdienstleistungen, Life Sciences und Technologie, die eine hohe Wertschöpfung und Innovationskraft aufweisen. Die Digitalisierung schreitet rasch voran und zwingt Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle kontinuierlich zu adaptieren. Dabei kann Zürich eine Vorreiterrolle einnehmen, sofern die digitalen Kompetenzen der Arbeitnehmenden gezielt gefördert werden.

Ein weiteres zentrales Thema ist der Fachkräftemangel, der insbesondere technische Berufe und den Gesundheitssektor betrifft. Langfristige Bildungsinitiativen und eine gezielte Einwanderungspolitik werden als entscheidende Faktoren identifiziert, um diesem Engpass entgegenzuwirken. Gleichzeitig zeigen die Studien, dass Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnt. Investitionen in grüne Technologien und Infrastruktur könnten die Attraktivität des Standorts weiter steigern.

Bezüglich der Digitalisierung und der «KI-Revolution» betonte Carmen Walker Späh, dass es eine weitsichtige, strategische Herangehensweise brauche, um nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig zu regulieren. Allgemein sei wichtig, «smart zu regulieren – nicht im Elfenbeinturm, sondern mit Blick auf das praktische Leben». Dies bekräftige in einem Votum auch Raphaël Tschanz, Direktor der Zürcher Handelskammer, die den Anlass unterstützt: «Die Regulierungsdichte betrifft uns alle. Wir sind gemeinsam gefordert, sie effizienter zu gestalten. Dazu ist der Dialog von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft wichtig.»

«Studie mit politischer Sprengkraft»

Brisant ist aus Sicht der Volkswirtschaftsdirektorin die im Wirtschaftsmonitoring vertiefte Analyse in Bezug auf den Fachkräftemangel. Kernproblem ist, dass die Bevölkerung wächst, aber der Anteil Erwerbstätiger sinkt. Die Szenarien zeigen, dass Zuwanderung den Effekt der Alterung schwächt, aber nicht verhindern kann. Die Studie hält fest: «Damit sich die Arbeitsmarktschere schliessen und das Verhältnis zwischen Erwerbsbevölkerung und Gesamtbevölkerung stabil bleiben würde, bräuchte es jährlich eine doppelt so hohe Zuwanderung wie im Durchschnitt der letzten 10 Jahre.» Diese Ausgangslage müsse offen diskutiert werden, postulierte Carmen Walker Späh: «Ich will nicht, dass es in 20 Jahren heisst, wir hätten es versäumt, rechtzeitig Massnahmen zu treffen.» Aus ihrer Sicht sei neben einer offenen und differenzierten Diskussion über die Zuwanderung entscheidend, die Produktivität zu steigern und das inländische Fachkräftepotenzial besser auszuschöpfen. Dazu sei eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie nötig, zudem müssten wir alle mehr arbeiten: «Je schneller wir das realisieren, desto weniger schmerzhaft wird es werden.» Fabian Streiff, Chef des Amts für Wirtschaft, nannte dazu die Metapher eines Ruderboots. «Die Zahl der Erwerbstätigen nimmt ab, es sind weniger Ruderinnen und Ruder im Boot. Wir müssen uns fragen: «Wie schaffen wir es, dass die Rudrerinnen und Ruderer im Boot länger rudern und zusätzliche Kräfte einsteigen, mitrudern und Gas geben?»

In vier Workshops widmeten sich anschliessend Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung den Themen Fachkräfte, Technologie, Regulierung und Mobilität. Ziel ist gemäss der Ansage von Regierungsrätin Carmen Walker Späh, nicht für die Galerie zu arbeiten, dass bis zum «Tag des Standorts 2026», der am 28. Januar 2026 geplant ist, konkrete Resultate vorliegen.  

«Die Menschen mitnehmen»

Im zweiten Teil der Veranstaltung wurden die strategischen Weichenstellungen für den Standort Zürich auf dem Podium diskutiert – von Veronica Weisser, Head UBS Vorsorge Innovation Hub, Manuel Buchmann, Projektmanager «Demografik» und Autor, Milan Prenosil, Verwaltungsratspräsident Confiserie Sprüngli AG, und Amalia Zurkirchen, Geschäftsführerin Kaufmännischer Verband Zürich. Die Moderation führte Michael Schönenberger, Zurich Impulse Forum.  

Veronica Weisser nannte als grösste Sorge die Auswirkungen der Demografie auf die Demokratie: «In zehn Jahren werden über 50 Prozent der Stimmberechtigten über 60 Jahre alt sein. Das ist eine Herausforderung für die Demokratie.» Künstliche Intelligenz hat für sie grosses Potenzial, die Produktivität zu steigern. Nicht vergessen werden dürfe aber, dass heute die Anreize, Kinder zu bekommen, negativ seien: Die Kosten seien sehr hoch. Manuel Buchmann strich hervor, dass die Zahl der Geburten voraussichtlich in absehbarer Zeit tiefer sei als jene der Todesfälle. Mit einer Geburtenrate von 1,3 Kinder pro Frau stehe der Kanton Zürich zwar leicht besser da als die Schweiz insgesamt, für eine nachhaltige Entwicklung sei der Wert aber viel zu tief. Grosses Potenzial sehe er in pragmatischen Massnahmen – etwa in der vereinfachten Anerkennung der Diplome respektive Ausbildungen von ausländischen Fachkräften. Milan Prenosil betonte die Wichtigkeit, die Berufslehre wieder vermehrt zu schätzen. Sprüngli bilde 45 Lernende aus – alles Fachkräfte von morgen, die gefragt sein würden. Auch handwerkliche Berufe müssten mehr Anerkennung erhalten, da Fachkräfte wie der Sanitär auch in der «KI-Welt» von morgen gebraucht würden. Auch Amalia Zurkirchen glaubt nicht daran, dass Technologie die Menschen ersetzen oder verdrängen wird. Das Tempo sei aber enorm – umso wichtiger sei, «die Menschen mitzunehmen».

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