Regine Sauter, Sie sind seit 2015 für die FDP im Nationalrat und waren davor in Zürich Kantonsrätin. Was reizt Sie am Schritt in den Ständerat?
Die letzten acht Jahre im Nationalrat haben mir sehr gut gefallen. Als Freisinnige stehe ich für die Werte meiner Partei ein und versuche gleichzeitig, über die Parteigrenzen hinweg Lösungen zu erreichen. Im Ständerat geht es darum, dass die Interessen der Kantone vertreten werden. Die Parteipolitik rückt dabei in den Hintergrund und macht Platz für verstärkte Sachpolitik. Kleine, grosse, wirtschaftsschwache und -starke Kantonsvertretungen ringen um die besten Lösungen für die Schweiz. Hier möchte ich als Ständerätin im Interesse des Kantons Zürich einen Beitrag leisten.
Politik geschieht mitten im Leben der Menschen. Sie sind für Ihr grosses Ziel täglich im Gespräch mit der Bevölkerung. Was beschäftigt die Zürcherinnen und Zürcher?
Insbesondere die Thematik der Sicherheit steht stark im Vordergrund. Im klassischen Sinn beschäftigt der Ukraine-Krieg die Leute stark und rückt sogleich unsere eigene Sicherheit in den Fokus. Im engeren Sinn geht es um die Sicherung der Altersvorsorge und wie wir diese für heutige und zukünftige Generationen nachhaltig gestalten können. Ausserdem muss es uns gelingen, eine leistungsfähige und qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung sicherzustellen.
Stichwort Nachhaltigkeit in der Altersvorsorge. Was sind Ihre Rezepte, um die Probleme zu lösen?
In den politischen Diskussionen fällt das Stichwort Nachhaltigkeit hauptsächlich in der Klima- und Umweltpolitik. Wir brauchen allerdings auch eine nachhaltige Altersvorsorge. Konkret: Auch zukünftige Generationen sollen von dieser Errungenschaft profitieren können. Wenn unsere Generation hier keine enkeltaugliche Lösung schaffen kann, werden die Jungen finanziell für unsere Versäumnisse aufkommen müssen. Mir ist es wichtig, die Altersvorsorge auf ein stabiles Fundament zu stellen, denn bereits heute zeichnen sich grosse Finanzierungslücken nach 2030 ab.
Als Ständerätin vertreten Sie die Standesstimme für den Kanton Zürich. Welche Vision haben Sie für Zürich als Wirtschaftsstandort in den kommenden vier Jahren?
Der Kanton Zürich ist ein grossartiger Kanton und es würde mich sehr freuen, Zürich als Ständerätin vertreten zu dürfen. Der Kanton Zürich ist ein starker Kanton und leistet auch viel für die übrige Schweiz. Als Wirtschaftsmotor stellt Zürich Arbeitsplätze für viele Menschen zur Verfügung und punktet als Innovationsstandort sowohl bei lokalen als auch internationalen Firmen. Es muss uns deshalb gelingen, die vorhandenen Stärken zu festigen, weiter auszubauen und ihnen mehr Bedeutung im politischen Prozess zu geben. Genau das ist mein Ziel als Ständerätin. Ich möchte diese Stärken des Kantons Zürich in Bern vertreten, ihnen mehr Gewicht verschaffen und gemeinsam mit den anderen Kantonen die Schweiz von morgen gestalten.
Der von Ihnen angesprochene Wirtschaftsstandort Zürich schwächelt derzeit. Zuletzt sorgte eine Studie für Aufsehen, laut der mehr Unternehmen Zürich verlassen als zuziehen. Wo drückt der Schuh – und kann sich Zürich langfristig gut positionieren?
Zürich steht in einem starken Wettbewerb mit den restlichen Kantonen. Unternehmer prüfen die Standortwahl ihrer Firma sehr genau. Zürich hat als Forschungs- und Innovationsstandort sehr viel zu bieten. Andere Faktoren wie die Steuerbelastung für Firmen und Private sind gerade in den Kantonen Zug und Schaffhausen besser als in Zürich. Weiter müssen Prozesse in der öffentlichen Verwaltung vereinfacht und digitalisiert werden. Ich denke hier beispielsweise an die Komplexität bei Firmengründungen und One-Stop-Shops. Der Kanton Zürich ist deshalb gut beraten, diese Punkte voranzutreiben und zu verbessern.
Als Direktorin der Zürcher Handelskammer sind Sie nahe am Puls der Unternehmen. Wie optimistisch sind Zürcher Führungskräfte und was beschäftigt sie derzeit?
Der Kanton Zürich ist sehr stark international verflochten. Das gilt sowohl für die exportorientierten Unternehmen als auch für die vielen gut ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die aus dem Ausland kommen. Ein grosses Anliegen der Unternehmen ist deshalb die Klärung des Verhältnisses zur EU. Die Weiter-entwicklung der bilateralen Beziehungen ist zur Wahrung der Rechtssicherheit und der Sicherstellung des diskriminierungsfreien Zugangs zum europäischen Binnenmarkt dringend notwendig.
Weiter beschäftigen unsere Mitgliedsfirmen die derzeitigen Entwicklungen im Aussenhandel. Deutschland z.B. als unser wichtigster Handelspartner schwächelt und leidet an einem Konjunktureinbruch. Solche Entwicklungen haben auch Auswirkungen auf die Schweizer Unter-nehmen. Das zeigen auch unsere Beobachtungen bei der Zürcher Handelskammer. Bei der Ausstellung von Exportpapieren haben wir das Niveau von vor der Coronapandemie noch nicht wiedererreicht. Die gesamte internationale Situation ist deshalb definitiv ein brennendes Thema.
Viel diskutiert ist Ihr Fortbewegungsmittel in diesem Wahlkampf. Es handelt sich um einen Microlino, ein elektrisches Kleinfahrzeug. Welche Botschaft verbinden Sie damit?
Mobilität ist wichtig und hat eine Gesellschaft immer vorwärtsgebracht. Bedeutende Wirtschaftszentren der Welt haben sich dort gebildet, wo die wichtigsten Verkehrsachsen zusammenlaufen. Wir müssen Mobilität jedoch zukunftsgerichtet und intelligent denken. Verkehrsmittel müssen sich sinnvoll ergänzen. Der Microlino z.B. ist bestens geeignet für den Verkehr in der Stadt und Agglomeration. Mit seinem elektrischen Antrieb trägt er auf den eingesetzten Kurzstrecken viel zu einem nachhaltigen Verkehr bei – Stichwort Mikromobilität! Für andere Bedürfnisse braucht es ein funktionierendes Netz aus öffentlichen Verkehrsmitteln oder den Flughafen Zürich, der die internationale Anbindung sicherstellt. Wir sind ausserdem auf bestem Weg, den Flugverkehr nachhaltiger und damit zukunftsträchtig zu gestalten.
Apropos Zukunft. Die NZZ wagte den Blick in die Kristallkugel. Gemäss Umfrageergebnissen liegen Sie praktisch gleichauf mit den (wieder-)antretenden Männern. Bereits aktuell vertreten zwei Männer Zürich im Ständerat. Wäre es nicht wieder an der Zeit, dass eine Frau die Zürcher Standesstimme vertritt?
Die Umfrageergebnisse motivieren mich allgemein sehr! Es besteht die realistische Chance, dass der Kanton Zürich wieder durch jemanden aus der FDP und nach langen Jahren endlich wieder durch eine Frau im Ständerat vertreten wird. Es würde mich selbstverständlich sehr freuen, wenn ich diese Frau sein dürfte.
Kommen wir zurück zum Wahlkampf. Was sind bisher Lust und Frust für Sie?
Wahlkampf macht mir viel Spass! Es ist grossartig, wie motiviert meine Unterstützerinnen und Unterstützer mitarbeiten. Mein Komitee zählt bereits rund 700 Personen, die sich dazu bereit erklärt haben, in der heissen Phase des Wahlkampfs gemeinsam mit mir auf die Strasse zu gehen und mich zu unterstützen. Das motiviert mich natürlich unglaublich!
Einen kleinen Frust gibt es allenfalls. Vor den Sommerferien hatten wir einen Grill-Anlass mit einer FDP-Ortspartei aus dem Bezirk Affoltern geplant, der dann dem Regen zum Opfer fiel. Wahrscheinlich der einzige Abend im Juli, an dem es geregnet hat (lacht)! Es war schade, dass wir den gemütlichen Abend deshalb absagen mussten und ich hoffe, dass wir das bald nachholen können.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Ein Ständeratswahlkampf ist kräftezehrend. Wo tanken Sie Ihre Batterien auf?
Wahlkampf ist Knochenarbeit! Ich bin praktisch jeden Abend unterwegs, aber das gehört halt dazu. Einen Ausgleich zur Politik finde ich in der Natur beim Wandern. Es gibt tolle Routen bei uns in Zürich und in der näheren Umgebung, und in den Sommerferien war ich im Engadin. Dabei gelingt es mir ausgezeichnet, meine Batterien wieder aufzuladen, weil man sich auf jeden Schritt fokussieren muss und dadurch den Kopf nicht bei anderen Projekten haben kann. Das wunderbare Berg-Panorama geniesse ich dabei ganz besonders.
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