Wer hat Angst vor der Grossstadt?

Wohnraum ist in der Stadt und allgemein im Raum Zürich knapp und teuer geworden. Gleichzeitig müssen Fachkräfte angezogen werden können, damit der Standort langfristig prosperiert. An einem Anlass der Reihe Wirtschaft@Wirtschaft der Zürcher Handelskammer (ZHK) wurden Lösungswege skizziert.

Raphaël Tschanz beschönigte in seiner Einleitung des Frühstücks-Events in der Bar am Wasser nichts: «Die Ausgangslage ist schwierig. Wohnraum ist knapp, Bauen ist mühsam und beschwerlich», sagte er. Und der Direktor der Zürcher Handelskammer fragte: «Wie können wir genügend Wohnraum schaffen für den heutigen Bedarf und für den Bedarf von Morgen? Wie können wir das Bauen attraktiver machen?» Antworten zu diesen Fragen gaben Sybille Wälty, Dozentin an der ETH Zürich und Gründerin sowie CEO des Startups Resilientsy, Béatrice Schaeppi, CEO Schaeppi Grundstücke AG und Präsidentin der Vereinigung Zürcher Immobilienunternehmen (VZI), und Barbara Franzen, Kantonsrätin (FDP) und Präsidentin der Kommission für Planung und Bau.

Arbeiten und Wohnen in Zehn-Minuten-Nachbarschaften

Sybille Wälty bestätigte das Eingangsvotum von Raphaël Tschanz: «Die Herausforderungen sind gross: «Die Zersiedelung schreitet weiter voran, es gibt Dichtestress, die Planungsverfahren werden immer länger, die Planungssicherheit sinkt.» Viel zu gewinnen wäre für Sibylle Wälty durch einen konkreten Vollzug des Raumplanungsgesetzes. Und sie machte sich für das Konzept der Zehn-Minuten-Nachbarschaften stark. Das Konzept erfordere in einem Radius von 500 Metern mindestens 10’000 Einwohner und 5000 Arbeitnehmende in Vollzeitäquivalenten. «In diesem Perimeter kann attraktives, urbanes Leben entstehen, weil vieles in 10 Gehminuten erreicht werden kann: Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit.» Als positives Beispiel nannte sie die Gegend rund um den Zürcher Idaplatz.

«Deregulierung, Deregulierung, Deregulierung!»

Béatrice Schaeppi stimmte insofern zu, als es dringend mehr Spielraum für effektive Verdichtung brauche: «Wir sollten hier einfach mehr tun.» Bauherren seien heute mit zahlreichen Hürden konfrontiert. Als Beispiele nannte sie starre kommunale Bau- und Zonenordnungen, gestiegene Baupreise und Zinssätze, Denkmalschutz, das weitgehende Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung der Schweiz (ISOS), Lärmschutz und eine Zunahme an Einsprachen, die zu Verzögerungen führten. Und was bringt Besserung? Béatrice Schaeppi sagte: «Deregulierung, Deregulierung, Deregulierung!» Zudem müssten Gesetze einfacher anwendbar sein. In der Stadt Zürich gebe es keine Planungssicherheit mehr, weil 75% der Liegenschaften im ISOS-Inventar seien. Wichtig seien zudem ein besseres Verständnis für Immobilien und die damit verbundenen Themen in der Gesellschaft sowie mehr Lösungsorientierung in der Politik – über alle Parteien hinweg.

Barbara Franzen nahm diesen Ball auf und betonte, dass es vermehrt parteiübergreifende Lösungen brauche. Als Beispiel nannte sie die in der Stadt Zürich parteiübergreifend eingereichte Initiative «Mehr Wohnraum durch Aufstockung – quartierverträglich und nachhaltig». Die Initiative wird von SVP, FDP, Die Mitte und GLP unterstützt und verlangt eine Anpassung der Bau- und Zonenordnung, so dass bestehende Gebäude in der Stadt Zürich um ein bis zwei Stockwerke erhöht werden dürfen. Zudem machte sie sich dafür stark, dass Büro- und Gewerberäume einfacher in Wohnzonen umgewandelt werden könnten. In einem Postulat fordere sie entsprechend mehr Flexibilität im Planung- und Baugesetz zur Förderung von Wohnraum. Gemeinden sollen die Gelegenheit bekommen, die Trennung von Arbeits- und Wohnzonen zu lockern. So soll das Schaffen von Wohnraum durch die Mobilisierung von geeigneten Reserven in Arbeitszonen befördert werden.

ZHK-Direktor Raphaël Tschanz stellte bei der Verabschiedung fest, dass erfreulicherweise etliche Lösungsansätze im Raum stünden. Aus Sicht des Unternehmensstandort sei wichtig, dass diese mit partnerschaftlichem Vorgehen aller Beteiligten auch umgesetzt würden.

 

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