Für die Schweiz und Zürich geht es bei der Abstimmung über die OECD-Mindeststeuer um viel. Auch dank einer attraktiven Steuerpolitik hat sich die Schweiz in den letzten 30 Jahren zu einem der weltbesten Wirtschaftsstandorte entwickelt – mit dem Wirtschaftsraum Zürich als treibender Kraft. Die Steuerbeiträge der Unternehmen sind stetig angestiegen – dies erlaubt, qualitativ hochstehende staatliche Leistungen etwa im Gesundheits-, im Bildungs- und im Sozialwesen zu finanzieren. Diese Stärke, die Grundlage unseres Wohlstands, ist nicht selbstverständlich. Es braucht eine Steuer- und Standortstrategie, die langfristig den Platz Zürichs und der Schweiz an der Spitze sichert. Grundlegend wichtig für diese Zielsetzung ist ein Ja zur OECD-Mindeststeuer-Vorlage, die am 18. Juni auf eidgenössischer Ebene zur Abstimmung kommt. Die Verfassungsänderung untersteht dem obligatorischen Referendum und erfordert sowohl eine Mehrheit der Stimmen als auch der Kantone beziehungsweise Stände.
Kein Steuergeld verschenken
Treiber der eidgenössischen Abstimmung vom 18. Juni ist eine breit abgestützte Steuerreform. Rund 140 Staaten haben sich im Rahmen eines Projektes von OECD und G20 darauf geeinigt, grosse, international tätige Unternehmen mit einem Umsatz von über 750 Millionen Euro neu zu mindestens 15 Prozent zu besteuern. Hält sich die Schweiz nicht daran, dürfen andere Länder die fehlende Besteuerung der Unternehmen vornehmen. Um zu verhindern, dass Steuergeld ins Ausland fliesst, haben der Bundesrat und das Parlament einen neuen Verfassungsartikel erarbeitet, der als Grundlage für die nationale Umsetzung der OECD-Mindeststeuer dient. So wird sichergestellt, dass das durch die Mindestbesteuerung zusätzlich anfallende Steuersubstrat in der Schweiz bezahlt und nicht ans Ausland verschenkt wird.
Firmen vor «Special Audits» schützen
Resultiert am 18. Juni ein Nein zu der Vorlage, würde es auch für viele wichtige Unternehmen unangenehm. Rund 200 Schweizer Firmen und 2000 ausländische Firmen mit Aktivitäten in der Schweiz würden in vielen Ländern einem jährlichen «Special Audit» unterworfen. Dies würde die Attraktivität des Standortes Schweiz stark belasten. Ein Nein wäre ein Spiel mit dem Feuer, zumal die Umsetzung der OECD-Reform am 1. Januar 2024 beginnt. Ein Ja zu der Mindeststeuer ist darum eine wichtige Weichenstellung. Ziel muss sein, dass Schweizer Unternehmen ihre Steuern weiter in der Schweiz bezahlen und vor Zusatzbesteuerung und Steuerverfahren im Ausland geschützt werden.
Die Schweiz braucht starke Kantone
Die aus der Steuererhöhung resultierenden Mehreinnahmen werden grob auf 1 bis 2.5 Milliarden Franken geschätzt und sollen zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt werden. 75 Prozent der Einnahmen sollen bei den Kantonen bleiben, 25 Prozent an den Bund fliessen. Aus Sicht der Zürcher Handelskammer (ZHK) ist dieser Verteilschlüssel sinnvoll. Die Kantone können am besten beurteilen, wie sie mit diesen Mitteln den Verlust der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit kompensieren und damit die grossen, global tätigen Unternehmen am Standort halten wollen.
Das ist nicht unsolidarisch, wie die Linke moniert. Im Gegenteil. Von erfolgreichen Kantonen, ihren Beiträgen an die Bundessteuer und ihren Ausgleichszahlungen in den Nationalen Finanzausgleich (NFA) profitiert die ganze Schweiz. Damit sich die Kantone gut entwickeln können, braucht es eine strategisch denkende, unideologische Politik. Denn eines ist klar: Der internationale Standortwettbewerb wird härter. Die Schweiz muss sich behaupten.
Relevant auch für Zürich
Nicht zu vergessen ist ein weiterer Punkt: Die Mindestbesteuerung wirkt sich auch in Kantonen aus, in denen der Gewinnsteuersatz bereits heute 15 Prozent oder mehr beträgt, wie das im Kanton Zürich der Fall ist. Dies deshalb, weil die OECD nicht nur einen Mindeststeuersatz einführt, sondern auch neue Regeln zur steuerlichen Gewinnermittlung beschlossen hat. Diese sind teilweise wesentlich breiter gefasst als die heutigen Regelungen.
Gemäss Schätzungen dürften im Kanton Zürich 40 Schweizer Konzerne und rund 400 Schweizer Gesellschaften betroffen sein. Die Umsetzung der OECD-Steuerreform ist daher auch für den Kanton Zürich von hoher Relevanz.
Als Fazit lässt sich aus Sicht der ZHK festhalten: Der von Bundesrat und Parlament erarbeitete Vorschlag zur Umsetzung der OECD-Mindeststeuer ist zielführend. Die zusätzlichen Steuererträge bleiben im Inland, betroffene Unternehmen werden vor «Special Audits» im Ausland geschützt, und der Verteilschlüssel zwischen Bund und Kantonen ist austariert. Ein Nein dagegen hätte gravierende Folgen.
Auch mit einem Ja in der eidgenössischen Abstimmung ist es indes nicht getan. Gerade der Wirtschaftsmotor Zürich braucht eine Standortstrategie, wie sie ZHK-Direktorin Regine Sauter im Editorial der «Stimme der Wirtschaft» im März gefordert hat. Dazu gehören die Förderung von Forschung und Entwicklung, die Stärkung der Innovationskraft von Unternehmen, die Vereinfachung und Digitalisierung von Verwaltungsabläufen, ein leistungsfähiger Flughafen Zürich und namentlich die geplanten Verlängerungen der Pisten 28 und 32 sowie der zweite Schritt der Unternehmenssteuerreform. Wie schreibt Regine Sauter in ihrem Apell: «Dieser zweite Schritt muss endlich erfolgen und mit Massnahmen kombiniert werden, die unseren Standort wettbewerbsfähig halten.»