Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider brachte es auf den Punkt: «Das Gesundheitswesen ist kostbar und teuer.» Für die gute Gesundheit der Menschen sei es unentbehrlich und wertvoll – es koste aber auch viel. Wie hoch die Qualität des Schweizer Gesundheitswesens sei, attestiere unter anderem eine aktuelle OECD-Studie. Alle Menschen hätten Zugang zu Leistungen mit hoher Qualität, sagte die Gesundheitsministerin. Gleichzeitig rangierten die steigenden Krankenkassenprämien ganz oben im Sorgenbarometer.
Dieses Spannungsfeld skizzierte Bundesrätin Baume-Schneider im Forum St. Peter in ihrem einleitenden Referat am Themenabend der Zürcher Handelskammer (ZHK) zur Prämien-Entlastungs-Initiative der SP. Diese will festschreiben, dass die Belastung von Privathaushalten nicht mehr als 10 Prozent des verfügbaren Einkommens beträgt. Für Gesprächsstoff war gesorgt. Vor und nach der Bundesrätin referierten ZHK-Präsidentin Karin Lenzlinger sowie in einem Podiumsgespräch die Nationalrätinnen Regine Sauter (FDP) und Mattea Meyer (SP), Nationalrat Thomas Aeschi (SVP) und Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds. Moderiert wurde die Diskussion durch Peter Hartmeier.
Kosten sparen
Wie hoch die Qualität des Schweizer Gesundheitswesens tatsächlich ist, illustrierte eine rhetorische Frage der Bundesrätin. «In welchem Land wären Sie am liebsten Patientin oder Patient?», fragte sie – und antwortete gleich selbst, ohne eine Reaktion des Publikums abzuwarten: «Ich auch.»
Die sprichwörtliche hohe Qualität ist aber keine Selbstverständlichkeit, und sie hat ihren Preis. Die Alterung der Gesellschaft und der medizinische Fortschritte würde weitere Verteuerungen unumgänglich machen, mahnte Baume-Schneider. Umso wichtiger sei, da Kosten zu sparen, wo dies ohne Qualitätseinbussen machbar sei. Genau zu dieser entscheidenden Frage liefere die Prämien-entlastungs-Initiative aber keine Antworten. Der Bundesrat lehne die Initiative ab. Sie setze keine Anreize, um Kosten zu sparen, widerspreche dem föderalistischen System der Schweiz, indem der Bund den Löwenanteil übernehmen müsse und die Kantone weitgehend aus der Verantwortung genommen würden, und sie führe zu immensen Mehrausgaben, die eine Steuererhöhung oder gewaltige Sparprogramme nötig machten. Viel gezielter sei der indirekte Gegenvorschlag, der bei einer Ablehnung der Initiative in Kraft trete. Auch er führe zu einer Ausweitung der Prämienverbilligungen, setze aber insbesondere den Kantonen Anreize zum Sparen.
Auch die zweite Gesundheitsvorlage, die am 9. Juni zur Abstimmung kommt, führt gemäss Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider in die falsche Richtung. Die Kostenbremse-Initiative will sicherstellen, dass die Gesundheitskosten nicht stärker wachsen als die Wirtschaft. Diese Verknüpfung sei viel zu einfach, sagte Baume-Schneider. «Symbolpolitik können wir uns nicht leisten. Wir brauchen gezielte Massnahmen», meinte sie. Sparpotenzial sieht sie etwa im Vermeiden von Doppelspurigkeiten, im Verzicht auf medizinisch nicht nötige Eingriffe, der Stärkung der Grundversorgung, der Senkung gewisser Medikamentenpreise und der Förderung ambulanter Behandlungen mittels einer einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS), die das Parlament beschlossen hat, von linker Seite aber mit dem Referendum bekämpft wird. Baume-Schneider sagte: «Ich bin zuversichtlich, dass das Volk Ja sagen wird zu EFAS. Die Vorteile überwiegen eindeutig.»
Lebendige Debatte
Im Podiumsgespräch begründete SP-Nationalrätin Mattea Meyer die Initiative damit, dass sich die Prämienbelastung der privaten Haushalte in den letzten 20 Jahren verdoppelt habe. «Unsere Initiative schafft einen Deckel, denn so kann es nicht weiter gehen.» Zudem werde der Druck von den Privaten zu den Kantonen und dann zum Bund verschoben. Das sei richtig, denn diese könnten politisch handeln, im Gegensatz zu Privatpersonen, die ohnmächtig immer mehr zahlen müssten.
Dem widersprach SVP-Nationalrat Thomas Aeschi vehement. Er anerkenne zwar, dass die steigenden Kosten ein Problem seien, die Initiative sei aber der völlig falsche Lösungsweg. Sparsame Kantone würden besonders stark getroffen, die Initiative führe durch die Hintertüre einen zweiten nationalen Finanzausgleich ein. Insgesamt koste sie auf Dauer 2 bis 3 Mehrwertsteuerprozente, nachdem bereits die 13. AHV-Rente im Umfang von einem Mehrwertsteuerprozent nicht finanziert sei.
Die Krankenkassenprämien seien auch eine Steuer, sagte Gewerkschaftsbund-Chefökonom Daniel Lampart. Die regelmässigen Erhöhungen der Krankenkassenprämien seien in der Summe die brutalste Steuererhöhung – sie betreffe den Mittelstand. Diese Besteuerung sei unfair, widerspreche dem Grundsatz der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und sei volkswirtschaftlich unsinnig, da so auch viel Kaufkraft verloren gehe.
FDP-Nationalrätin Regine Sauter konterte, dass keinesfalls von einem asozialen Gesundheitswesen gesprochen werden könne. Im Gegenteil sei es eine grosse Errungenschaft, dass alle in diesem Land eine Krankenversicherung hätten und auch nicht in Risikogruppen unterteilt werde. Ein grosser Teil der Kosten werde zudem von der öffentlichen Hand finanziert, sprich über Steuern: «Das wirkt umverteilend und ist keineswegs asozial.»
Nicht länger am eigenen Ast sägen
Die Fronten waren verhärtet, die Konsensfindung nebulös, wie es selbst Daniel Lampart auf eine Frage aus dem Publikum beschrieb. Klar ist die Haltung der Zürcher Handelskammer, die Präsidentin Karin Lenzlinger zum Abschluss erläuterte. Auch für die ZHK sei ein qualitativ hochstehendes Gesundheitswesen wichtig, betonte sie. Bezüglich der Prämien-entlastungs-Initiative überwögen aber eindeutig die Nachteile. «Der Prämiendeckel müsste über höhere Steuern oder eine höhere Mehrwertsteuer finanziert werden», warnte Lenzlinger. Zudem würden Anreize geschaffen, weniger zu arbeiten und Pensen zu reduzieren – um in den Genuss von Prämienverbilligungen zu kommen. Gefragt sei Problemlösung, nicht Umverteilung. Lenzlinger warnte: «Wir sägen immer intensiver und an verschiedenen Stellen am eigenen Ast.»