Mit dem Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU von 1972 wurden zwar Zölle abgebaut. Erst mit den Bilateralen I und II erhielt die Schweiz einen hindernisfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt. Was bringt das der Schweiz?
Die Schweiz profitiert in vielfältiger Weise vom bewährten Vertragswerk mit der EU. Ein diskriminierungsfreier Zugang zum europäischen Binnenmarkt mit seinen rund 450 Mio. Konsumentinnen und Konsumenten ist für viele Schweizer Unternehmen überlebenswichtig. Die zukünftigen Beziehungen der Schweiz zur EU sind deshalb aus Sicht unseres Wirtschaftsstandorts und demzufolge für viele Mitglieder der ZHK von grösster Bedeutung.
Am 18. März 2024 hat der Bundesrat die Verhandlungen mit der EU über die Bilateralen III aufgenommen. Warum sollten die Bilateralen Verträge weiterentwickelt werden?
Ohne Anpassungen an den bestehenden Verträgen wird der Zugang zum EU-Binnenmarkt zunehmend erodieren. Wird das Abkommen zum Abbau technischer Handelshemmnisse nicht aktualisiert, verlieren künftig bis zu 60% der Schweizer Exportunternehmen die bisherige Teilnahme am EU-Binnenmarkt. Die Nichtzulassung von Schweizer Medizinalprodukten war nur ein Vorgeschmack. Als nächstes werden die Maschinen-, Bau- und Pharmaindustrie folgen. Aufgrund der hohen Bedeutung dieser Branchen für unseren Industriestandort dürfte der wirtschaftliche Schaden enorm sein.
Was ist der Unterschied zwischen dem Institutionellen Abkommen (InstA) und den Bilateralen III?
Die Bilateralen III bringen wesentliche Verbesserungen beim Lohnschutz und bei der dynamischen Rechtsübernahme sowie notwendige Präzisierungen bei der Streitbeilegung. Weiter wird das Daueraufenthaltsrecht auf Personen beschränkt, die erwerbstätig und nicht von der Sozialhilfe abhängig sind. Zudem entfällt die sogenannte Guillotineklausel. Dies bedeutet, dass bei einer Kündigung eines Abkommens der Bilateralen III nicht gleich alle anderen Abkommen dahinfallen. Es werden also wesentliche Fortschritte erzielt.
Kann die Schweiz nicht mit dem Freihandelsabkommen von 1972 leben? Braucht es die Bilateralen überhaupt?
Das Freihandelsabkommen mit der EU regelt den Abbau von Zöllen. Damit werden keine technischen Handelshemmnisse abgebaut, Luftverkehrsrechte sind darin nicht abgedeckt, Schweizer Firmen können nicht an öffentlichen Ausschreibungen in Gemeinden und Regionen innerhalb der EU teilnehmen. Das ist nur eine kleine Auswahl von Nachteilen.
Ist zu befürchten, dass die Bilateralen III zu mehr Zuwanderung führen werden?
Die Bilateralen III führen zu keiner erhöhten Einwanderung. Es gelten dieselben strengen Regeln wie heute. Der Bundesrat will zudem über Schutzklauseln verhandeln, um die Zuwanderung zu steuern.