Geht es nach der Mehrheit des Nationalrats, soll der Volksinitiative „für verantwortungsvolle Unternehmen - zum Schutz von Mensch und Umwelt“ doch noch ein indirekter Gegenvorschlag entgegengestellt werden. Das hat die grosse Kammer am Donnerstag mit einer Mehrheit von 109 zu 69 Stimmen bei sieben Enthaltungen beschlossen. Dabei sprachen sich die Fraktionen der Sozialdemokraten, Grünen, Grünliberalen und der BDP geschlossen und die CVP-Fraktion mit grosser Mehrheit für einen indirekten Gegenvorschlag aus. Auch in der FDP- und in der SVP-Fraktion gab es Befürworter.
Vergebens hatte etwa der Tessiner FDP-Nationalrat Giovanni Merlini laut dem Wortprotokoll darauf hingewiesen, dass „bei den allermeisten Schweizer Konzernen … Nachhaltigkeit und Achtung der Menschenwürde eine nachgelebte Devise“ seien. Die „überwältigende Mehrheit“ seiner Fraktion wolle das „Experiment eines Gegenvorschlags abbrechen“, so Merlini. „Selbst mit den vorgesehenen Einschränkungen gegenüber dem Text der Initiative beinhaltet nämlich der Gegenvorschlag immer noch zu viele Konzessionen an die Initianten.“
Aber schon in seiner eigenen Fraktion traf Merlini auf Widerspruch. „Wichtige Exponenten der Wirtschaft wünschen sich einen indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungs-Initiative. Sie wissen eben, dass Reputationsmanagement auch seinen Preis hat“, sagte die Zürcher FDP-Nationalrätin Doris Fiala. „Als Vertreterin der Wirtschaft sage ich zwar Nein zur Konzernverantwortungs-Initiative, aber ganz klar Ja zum Gegenvorschlag.“
Der Freiburger CVP-Nationalrat Dominique de Buman zog den Vergleich zur Abschaffung des Bankgeheimnisses, gegen die sich die Schweizer Wirtschaft auch lange gewehrt habe. Die Schweiz sei heute ein wichtiger Rohstoffhandelsplatz, ihre Glaubwürdigkeit aber bedroht. „Es ist utopisch, um nicht zu sagen dumm und skandalös, wenn man im Namen der Wirtschaft unsägliches Handeln verteidigen wollte.“ Daher sei es sinnvoll, einen ausgeglichenen Gegenvorschlag auszuarbeiten, um einen Rückzug der Initiative zu erreichen.
Economiesuisse bedauert, dass der Nationalrat nicht dem Ständerat und dem Bundesrat gefolgt ist, die zuvor einen indirekten Gegenvorschlag abgelehnt hatten. „Es wäre an der Zeit gewesen, das ‚Experiment Gegenvorschlag‘ zu beenden“, schreibt der Dachverband in einer Mitteilung. „Aus Sicht der Wirtschaft gilt es, die Herausforderungen beim Schutz von Menschenrechten und Umwelt an der Wurzel zu packen. Sowohl ein Gegenvorschlag auf Basis der Initiative als auch die Initiative selbst sind für eine praktikable Lösung untauglich.“ stk